Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 34 = 4.F. Jg. 4 (1890))

Die metaphysisch-naturwissenschaftliche Richtung in der Jurisprudenz. 805
scheinungen zeigte, während er selbst es ist, der dies alles heimlich
mit seinem eigenen Willen hervorbringt.2) In der That ist es unser
Wille, durch welchen dies und jenes heut bei uns Recht ist, war es
der Wille der Römer, wodurch eben dasselbe oder etwas anderes bei
ihnen Recht war, nicht natürlich Willkür aus individueller Laune,
sondern ein Wille, welcher, aus der ganzen Gemüthsverfafsung und
aller Auffassung der Dinge hervorgehend, sich wie eine Naturbe-
stimmtheit bei ganzen Völkern resp. kleineren Gemeinschaften gellend
macht. Wenn die Juristen nicht diese oder eine andere bestimmte
Auffassung vom Rechte überhaupt zu Grunde legen, so ist es freilich
natürlich, daß sie ganz von selbst dazu kommen, es, wie die Wolken
am Himmel, als etwas einfach Daseiendes, wie eine Naturmacht,
oder — was auf manche Aussprüche, die ich schon gelesen habe, am
besten passen würde — wie eine Zauberkraft zu behandele, ohne
weiter darnach zu forschen, was eine Macht und welcher Art diese
ist, und ohne zu versuchen, diesen Zauber auf einfachere, natürliche
und begreifliche Kräfte zurückzuführen. Und dann ist es ebenso
natürlich, daß sie zuweilen nicht nur die Normen des römischen
Rechts, sondern auch die Konstruktionen der römischen Juristen ein-
fach wie Naturgegebenes hinnehmen. 3)
Der Neigung, die Rechte wie selbständige Dinge, ihre Ver-
änderungen, wie objektive Ereignisse zu behandeln, kann der bekannte
Ausdruck „die Preise steigen" zur Seite gestellt werden. Auch er
scheint, was direkt des Kaufmanns Wille ist und ohne ihn nicht zu
Stande kommen kann, wie ein von menschlicher Willkür unab-
hängiges Naturereigniß darzustellen. Aber der Wille des Kaufmanns,
mit seinen Geschäften Geld zu verdienen, ist selbstverständlich, und
ebenso die Wirkung bestimmter Umstände, welche ihn, wenn er nicht
Verlust erleiden will, zu dem Entschlüsse nöthigen, die Waare zu
einem höheren Preise als bisher zu verkaufen. „Die Preise steigen"
soll garnicht im Ernste wie ein von menschlichem Willen unab-
hängiges Naturereigniß dargestellt werden, und wer die Preis-
schwankungen scheinbar wie objektive Geschehniffe untersucht, ver-

2) Die Einschränkungen, durch welche dieser Satz minder paradox erscheinen
wird, werden in seiner Schrift „Das Gewohnheitsrecht" ausführlich erörtert, sind
aber auch in meinen früheren Arbeiten mehrfach genannt.
0) Die Unzulänglichkeit der letzteren ist schon oft behauptet worden, auch in
meinem „Begr. d. subj. R." finden sich mehrfache Hinweise auf sie, namentlich
in Beziehung auf den Begriff der Servitut, S. 201.

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