Die metaphysisch-naturwissenschaftliche Richtung in der Jurisprudenz. 803
„das betagte Recht ist zwar ante äiem noch nicht geboren, aber
schon in rerum natura." Simeon/) S. 82, erkennt zwar, daß dies
„ein physiologisches Gleichniß" ist, aber er freut sich doch des Seiten-
stückes zu dem na8oituru8 pro iarn nato Kabetur, und findet mit Brinz,
daß das fragliche Recht schon „im Keime" vorhanden, in die erste
embryonale Entwicklungsphase eingetreten sei. Dann ist es auch
nicht verwunderlich, wenn die Forderungsrechte nach Simeon auch
„einen Lebensgang" haben, S. 122. Es ist bloß zu verwundern,
daß nicht auch die Wirkung des äies veniens einer späteren Ent-
wicklungsstufe des Kindleins zugeschrieben wird, etwa der, wenn es
gehen und sprechen gelernt hat.
Stammler nennt die Obligation „ein organisches Gebilde",
was ich anderwärts schon gewürdigt habe.
Was in der ungezwungensten Weise aus dem eigentlichen Be-
griffe des Eigenthums hervorgeht („Begriff des subjektiven Rechts"
S. 186—189), erscheint vielen und auch Puntschart, als eine der
proprietas innewohnende Konsolidationskraft, vermöge welcher sie
sich nach dem Erlöschen dinglicher Beschränkungen durch eigne
Elastizität wieder zum vollen Eigenthum ausdehnt.
Die naheliegenden Gründe, aus welchen das Recht dem Eigen-
thümer der materia inaeäiüeata erst nach ihrer Trennung von dem
fremden Gebäude die volle Verfügung wiedergiebt, sind nicht genug.
Nicht dies ist es, worin die Fortdauer des Eigenthumsrechtes besteht,
sondern etwas vom Menschenwillen und seinen Bestimmungsgründen
Unabhängiges, wie eine selbständige Naturerscheinung. Das Eigen-
thumsrecht an der materia inaeäiüeata schlummert so lauge, als
r) „Das Wesen des befristeten Rechtsgeschäfts" von Dr. jur. Paul Simeon,
eine von der Berliner juristischen Fakultät gekrönte Preisschrift. Ich werde mich
im Folgenden noch öfter gegen Simeon wenden, aber, wie ich hiermit ausdrück-
lich erklärt haben will, nicht um das Büchlein zu rezensiren oder gar das Ur-
theil der Preisrichter zu kritisiren (sie sind vollständig in ihrem Rechte gewesen),
sondern weil er die genannte Richtung in geistvoller Weise vertritt, bis zum
Aeußersten durchführt und deshalb ihre letzten Konsequenzen am grellsten hervor-
treten läßt. Was bei manchem andern noch als bildlicher Ausdruck gelten, viel-
leicht nur als zu starke Betonung des Bildes gerügt werden kann, erscheint bei
ihm — aber auch nicht bei ihm allein — als die eigentliche Bezeichnung der
Sache und als eigentlicher letzter Erklärungsgrund. Wenn ich ihn nenne, so wende
ich mich nicht gegen seine Person, sondern gegen die Richtung, deren Schöpfer
er nicht ist, und auch wenn ich seine eigenen Extravaganzen anführe, soll es
nicht ihm persönlich, sondern der Richtung zum Vorwurfe gereichen, welche solche
Früchte Hervorbringen muH.
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