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Erneuertes Gemeines Land-Recht des Hertzogth. Württemberg von
1610 Th. II Tit. XXVIII § 4. „Wa auch der Sohn ein offen
Gewerb mit wiffen und willen seines Vatters führt, und jemands
jhme desselben Gewerbs halben etwas gelihen, oder zu kauffen geben,
der Sohn aber vor bezahlung desselben verstürbe, Ist der Vatter,
welcher solchen seinen Sohn in seiner Gewalt gehabt, und nach jhm
seine Erben zu bezahlen schuldig; Doch allein so weit sich das Ge-
werb erstreckt. Wa aber der Sohn so den Contract getroffen im
Leben verbliben, und ausser deß Vatters Gewalt kommen, Ist er
alsdann die gantze Hauptsummen ohn abgang zu bezahlen verbunden,
es erstrecke sich das Gewerb so weit oder nicht." *)
Churfürstlicher Pfaltz bey Rhein erneuert und verbessert Landrecht
von 1610 Th. II Tit. XXVII § 2. „Führte aber ein sohn, so in
Vätterlichem gewalt mit desselben wissen ein Gewerb, und würde
solches gewerbs halben jhme etwas geliehen, oder sonsten mit jhme
conti astirt, so ist der sohn für diß alles kräftig, der Vatter aber
weiter nicht, dann sich das vermögen solches Gewerbs erstreckt,
verbunden." 1 2 3)
Der Statt Frankfurt Am Mayn erneuerte Reformation von 1611
Th. II Tit. XI ß 13. „Doch da gedachte Mindere solch entlehnet
Gelt in jhren, oder jhrer Eltern scheinbarlichen kundtbaren Rußen
angewendt Hellen, oder mit Wissen und Zulassen jhrer Eltern Kauff-
mannsweiß handelten, und dieselben solch Ausfborgen hernach genehm
hielten: Oder auch die Mindere also geschaffen weren, daß sie für
Patresfamilias, das ist, daß sie nunmehr außerhalb jhrer Eltern
Gewalt weren, sich betrieglich außgeben, auch vermuthlichen dafür
angesehen und gehalten werden möchten: So soll obgemeldt Recht in
solchen Fällen nickt statt haben, sondern unverhindert dessen, dem
Leyher seine Actio und Schuldforderung bevorstehen."
Den oben aufgestellten Grundsatz unseres Preußischen Rechts hat
auch die neuere deutsche Gesetzgebung festgehalten.
Das Königl. Württembergsche Gesetz über das Volljährigkeitsalter
vom 30. Juni 1865 verordnet:
Art. 3 Ziffer 1. „Minderjährige, welche nach Maßgabe des
Art. 2 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung vom 12. Februar 1862 ein
Gewerbe selbständig betreiben, nachdem sie die diesfalls geltenden
Vorschriften erfüllt, insbesondere die Zustimmung ihres Vaters oder
Vormundes erlangt haben, werden durch Verträge, welche diesen
Geschäftsgang betreffen, verpflichtet." 3)
1) In Betreff dieser Vorschrift ist zu verweisen auf Griesinger, Commentar
über das Herzogl. Wirtembergische Landrecht III. S. 1117 ff. Vgl. auch
Reyscher, das gemeine und württembergische Privatrecht III. S. 146.
2) Die gleiche Vorschrift ist fast wörtlich in das Landrecht der Markgrafschaften
Baden rc. von 1710 Th. IV Tit. 30 s 2 übergegangen.
3) S. Beilageheft zu Bd. XII der Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht
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