15.
Abhandlungen
15.1.
Aus der Praxis
:
Zur Lehre von der Expropriation. Entschädigung des Miethers für die vorzeitige Auflösung des Miethsverhältnisses, unabhängig von der dem Eigenthümer gebührenden Entschädigung
Von dem Herrn Ober-Tribunals-Rath Johow in Berlin
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Abhandlungen.
Nr. 24.
Aus der Praxis.
Zur Lehre von der Expropriation. Entschädigung des Miethers
für die vorzeitige Auflösung des Miethsverhältniffes, unabhängig
von der dem Ligenthümer gebührenden Entschädigung.
Von dem Herrn Ober-Tribunals-Rath Johow in Berlin.
Die durch einen Akt der Staatsgewalt erzwungene Abtretung einer
Sache zu Gunsten einer das öffentliche Wohl befördernden Anlage wird
von dem Allg. Landrecht in Ucbereinstimmung mit der in der Wissen-
schaft vorherrschenden Theorie *) als ein Zwangsverkauf betrachtet und
demgemäß im 11. Titel des 1. Theils im Abschnitt von Kaufs- und
Verkaufsgeschäften behandelt. Nachdem im § 3 bestimmt ist, daß der
Eigenthümer einer Sache zum Verkaufe derselben wider seinen Willen
nur alsdann gezwungen werden kann, wenn ein Dritter ein besonderes
Recht zu deren Ankäufe durch ausdrückliche Gesetze, Verträge oder den
Eigenthümer verpflichtende letztwillige Verordnungen erlangt hat, sagt § 4:
Auch der Staat ist Jemand zum Verkaufe seiner Sache zu
zwingen nur alsdann berechtigt, wenn es zum Wohle des gemeinen
Wesens nothwendig ist.
Und § 8 lautet:
In allen Fällen eines durch die Gesetze begründeten nothwen-
digen Verkaufs muß, wenn über den Preis kein Einverständniß
stattfindet, derselbe nach dem Ermessen vereideter Taxatoren be-
stimmt werden.
Hiernach ist die Expropriation ein vom Staate erzwungener Verkauf
der Sache von Seiten des Eigenthümers an den mit dem Expro-
priationsrechte Beliehenen für den Preis, welcher dem zu ermittelnden
*) Vergl. wegen derselben Förster, Theorie und Praxis des Preuß. Privat-
rechts II. Aufl. Bd. 2 S. 144 f. Note 23 und 24.