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und daß, wenn man für die zweite Instanz ein neues judicium ablehne,
daraus nur die Ausschließung des dcncücii novorum folge, nicht aber die
Nothwendigkeit, zu einer revisio in .furo überzugehen; durch die Vorent-
haltung des bonetieii novorum entbehre der Prozeß aber auch jeder Garantie
für die richtige Feststellung Dessen, was die Parteien in erster Instanz vor-
gebracht hätten; die Parteien ermangelten in Auffindung der des Beweises
bedürftigen Thatsachen jeder Unterstützung des Richters und erführen vielfach
erst durch das Urtheil, auf welche Thatsachen der Richter Gewicht gelegt habe.
Dieser Ausführung entgegen befürwortet der Verfasser der angezeigten
Schrift mit vieler Wärme die Annahme der Revision im Sinne des Entwurfs
und sucht die in der Bähr'scheu Darstellung, welcher er Schritt für Schritt
folgt, angeregten Bedenken zu widerlegen. Dies gilt namentlich von der ver-
meintlichen Beschränktheit des Beschwerderechts. „Rechtsnorm," so wird aus-
geführt, werde irrig mit „Rechtsgrundsatz" identificirt, während erstere in viel
weiterem Sinne, als „Rechtsgrundsatz" im Preußischen Gesetze über die
Nichtigkeits-Beschwerde zu verstehen sei und „Rechtsnorm" alle Gesetzesver-
letzungen, prozessualische wie materielle, im weitesten Sinne umfasse; die Be-
gründung des Rechtsmittels der Nichtigkeits-Beschwerde und des Kaffations-
rekurses schreibe die specialisirte Angabe der Nichtigkeitsgründe als obligatorisch
vor und beschränke demgemäß die richterliche Beurtheilung der Sache auf
diese speziellen Angriffe; anders der Entwurf, welcher die richterliche Beur-
theilung an die Angriffe des Beschwerdeführers nicht binde (Motive S. 375).
Der Verfasser resumirt seine Ansicht dahin, daß das Rechtsmittel des Ent-
wurfs sowohl, was den Umfang des Beschwerderechts als auch was die Art
der Begründung der Beschwerden und die damit zusammenhängende Stellung
des Richters zur Beschwerde und zum angegriffenen Urtheil anbelangt, ein
viel weiteres und freieres fei, als die Preußische Nichtigkeits-Beschwerde und
der Kassationsrekurs, nicht bloß nach der Intention des Gesetzes, sondern
auch nach den voraussichtlichen praktischen Wirkungen; die Trennung der
Rechtsfrage von der Thatsrage sei weder an sich unnatürlich noch führe sie
nothwendig zu einer unnatürlichen Praxis. Eingehend auf die im Entwürfe für
die beabsichtigte Neuerung geltend gemachten inneren und äußeren (politischen
und finanziellen) Gründe, so hält der Verfasser die Ausschließung des be-
neficii novorum nicht nur praktisch für unbedenklich, sondern im Gegentheil
für geboten, „als nothwendiges Correlat und Correctiv gegen die Aufhebung
der Eventual-Maxime in erster Instanz," indem näher dargelegt wird, daß
man einer erneuten thatsächlichen Würdigung des Streits in zweiter Instanz
um so mehr entbehren könne, als es nach dem Entwürfe die Regel bilde, die
Auskunftspersonen vor dem erkennenden Richter zu vernehmen, und der erste
und unmittelbare Eindruck, welchen der Richter in erster Instanz von den
Thatsachen empfange, sehr häufig der einzige richtige sei. Gegen die in der
Bähr'schen Schrift ausgesprochene Besorgniß, „mit der Verlegung der that-
sächlichen Entscheidung in die unterste Instanz werde das Ansehen der Justiz
überhaupt herabgezogen," bemerkt der Verfasser, daß mit Annahme des Ent-
wurfs, welcher eine starke, aber einfache Gerichtsverfassung mit einer thunlichst
geringen Zahl von Personen schaffen wolle, im Gegentheil das Ansehen der
Justiz nur gewinnen könne, wenn die Bedeutung der Landgerichte und ihrer
Entscheidungen gestärkt werde. Er schließt damit, daß gerade die Ausschließung