Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 16 = N.F. Jg. 1 (1872))

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oder muß noch ein Mehreres hinzukommen, um diesen Erfolg
herbeizuführen?
Das Ober-Tribunal ist, mit Beschränkung auf „wesentliche" Ab-
reden, für die erstere Alternative. Wie dieser Standpunkt aus der an-
fänglichen Umhüllung, mit welcher ihn die Motive des Plenar-Be-
schlusses vom 31. Januar 1845 umgeben hatten, nach und nach deut-
licher hervorgetreten ist, habe ich bereits Bd. 7 S. 364, 365 dieser
Zeitschrift gezeigt, und die seitdem veröffentlichten Entscheidungen lassen
darüber nicht den mindesten Zweifel. So wird in den Gründen des im
Striethorst'schen Archiv Bd. 53 S. 129 ff. abgedruckten Erkenntnisses
die Ansicht des Appellationsrichters, welcher den Nachweis verlangte, daß
die gerügte Weglassung einer mündlichen Abrede wider den Witten der
Parteien resp. aus welchem Grunde sie erfolgt sei, reprobirt und
ausgeführt:
„Denn um den schriftlichen Revers unwirksam zu machen, genügt
der Nachweis, daß derselbe im Widerspruch steht mit dem, was
die Kontrahenten in Wirklichkeit (soll heißen „mündlich") verab-
redet haben. Nur dahin gehen auch die Entscheidungen des Ober-
Tribunals. Nirgends aber hat daffelbe ausgesprochen, daß auch
der Nachweis geführt werden müffe, warum der Vertrag anders
niedergeschrieben als verabredet worden, namentlich nicht in dem
citirten Urtheil vom 6. März 1849, es ist vielmehr auch in diesem
Urtheil für allein entscheidend erachtet worden die Behauptung,
der Vertrag sei anders niedergeschrieben, als verabredet worden."
Ferner heißt es Entscheid. Bd. 46 S. 31 f.:
„Eine gleiche Verletzung des § 1 I. 5 A. L. R. (!) liegt in
der Rechtsansicht (so. des Appellationsrichters), daß, wenn eine
mündliche Abrede nicht in den schriftlichen Vertrag ausgenommen
worden, von dem Anfechtenden dargethan werden müffe, weshalb
dieselbe gegen den Willen der Kontrahenten nicht ausgenommen sei;
werde dies nicht dargethan, so müffe angenommen werden, daß die
Kontrahenten ihre früheren Verabredungen geändert hätten.
Die Ursache, warum eine mündliche Verabredung nicht in den
schriftlichen Vertrag ausgenommen worden, ist oft schwer zu er-
mitteln, ob Simulation, Betrug, thatsächlicker Jrrthum, rechtlicher
Jrrthum: daß die geschriebenen Worte daffelbe sagen, Unaufmerk-
samkeit auf das Geschriebene, indem man sich auf das, was un-
zweifelhaft mündlich verabredet ist, verläßt und dem andern Kon-
trahenten volles Vertrauen schenkt, und dergl. Allerdings kann,
wenn hierüber nichts ermittelt worden ist, dies in einzelnen Fällen
dahin führen, daß der Richter thatsächlich annimmt: die frühere
von dem schriftlichen Vertrage abweichende mündliche Abrede möge
geändert sein, es stehe nun thatsächlich nicht fest, daß der Vertrag
anders verabredet, als niedergeschrieben sei. Aber den allgemeinen

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