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Es muß daher auch nach Preußischem Rechte angenommen werden,
daß die landrechtlichen Vorschriften über die Beschränkung der Bürg-
schaft der Ehefrauen nicht der äußern Form des Geschäfts, sondern,
als aus der Individualität des weiblichen Geschlechtes entlehnt, die Per-
sönlichkeit, gleichsam den status der Frau, betreffen, um durch Be-
schränkung der persönlichen Freiheit Schutz gegen die Nachtheile solcher
Interzessiousgeschäfte zu gewähren. Eine Folge dieser rechtlichen Auf-
fassung ist es auch, daß die Bürgschaft einer Frau bezüglich ihrer for-
malen Beschränkung nicht nach der Regel, locus regit actum, unter die
Herrschaft des Rechtes am Orte der Aufnahme, sondern, als die per-
sönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit der Frau betreffend, nach dem
Rechte des Wohnsitzes beurtheilt wird.
§ 23 Einleitung des Allg. Landrechts.
Gesetzrevisoren Pens. XIV S. 28.
Boruemann, System Bd. 3 S. 308.
Derselbe, Erörterungen rc. S. 74.
Koch, Recht der Forderungen Bd. 3 S. 1081.
Förster, Theorie und Praxis rc. Bd. 1 S.50ff., Bd.2S.381,386.
Wenn der Appellationsrichter nun, dieser Rechtsauffassung folgend,
die formale Einschränkung der Bürgschaft der Frauen nicht, als unter
die äußere Form des Geschäfts fallend, auffaßt, sondern, als mit der
persönlichen Geschäftsunfähigkeit der Frau in Verbindung stehend, be-
trachtet, so hat er sich keiner Verletzung der, von der Nichtigkeits-
beschwerde angerufenen Gesetzesbestimmungen schuldig gemacht, ist viel-
mehr dem Geiste gefolgt, aus welchem das Institut historisch und
dogmatisch entsprungen ist. Es können daher auch der § 17 der Ein-
lettung und der § 43 Th. I Tit. 3 des Allg. Laudrechts, welche aus-
schließlich nur die äußere Form eines Rechtsgeschäftes betreffen, nicht
Anwendung finden auf Vertragserfordernisse, welche der Gesetzgeber mit
der Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person in Verbindung ge-
bracht hat. Eben so wenig kann aber auch das Gesetz vom 1. De-
cember 1869, welches die landrechtlichen Vorschriften über die Inter-
zessionen der Frauen aufhebt, der, wegen Vernachlässigung der gesetz-
lichen Vorschriften nichtigen Interzession der Verklagten Rechtswirk-
samkeit verleihen, weil der civilrechtliche Grundsatz: „tempus regit
actum,“ durch ein kollidirendes Gesetz zwar in Beziehung auf die Form
des Geschäfts, nicht aber in Beziehung auf die Rechts- und Hand-
lungsfähigkeit der Person modificirt werden kann.
§ 17 Einleitung, §§ 37, 38 Th. I Tit. 5 des Allg. Landrechts.
B o r n e m a n n, Erörterungen S. 13, F ö r st e r a. a. O. Bd. 1 S. 40.