Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 43 = 6.F. Jg. 3 (1899))

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Einzelne Rechtsfälle.

die Tragung der Polizeikosten zurück. Die, die Widerklage zurück-
weisende Entscheidung des Berufungsgerichts beruht jedoch insoweit
auf nicht revisiblem Rechte und namentlich auf der Auslegung der
Verhandlungen und Abmachungen des Jahres 1874, die einen Rechts-
irrthum nicht erkennen läßt.
Ebenso unhaltbar ist die Ausführung der Revision, daß in der
Ablieferung einer geschlechtskranken Prostituirten durch einen Schutz-
mann und ihrer Aufnahme in das Krankenhaus jedesmal der Ab-
schluß eines Vertrags liege, der den Staat zum Ersätze der Kosten
verpflichte; es fehlt an jedem Anhaltspunkte dafür, daß ein solcher
Vertragswille bestanden habe.
Es kann sich daher nur fragen, wer nach dem mit dem 1. April
1893 in Kraft getretenen Gesetze über die Polizeikosten vom 20. April
1892 diese Kosten zu tragen hat, wenn in der betreffenden Stadt
eine Königliche Polizeidirektion besteht. Die Frage ist bereits von
dem Vierten Civilsenat des Reichsgerichts (Entsch. Bd. 35 S. 296 ff.)
auf Grund sehr eingehender Prüfung dahin entschieden, daß diese zu
den sogenannten mittelbaren gehörenden Polizeikosten der Stadt-
gemeinde zur Last fallen, und der erkennende Senat hat sich ebenso
ausgesprochen in seinem Urtheile vom 17. September 1897 (Jur.
Wochenschr. für 1897 S. 558 Nr. 44). Von dieser Auffassung, auf
deren nähere Begründung verwiesen werden kann, abzuweichen, lag
keine Veranlaffung vor. Damit erledigt sich endlich auch der von der
Revision hervorgehobene Grund, die geheilten Frauenzimmer seien
als Polizeigefangene anzusehen, und deshalb der Staat zur Tragung
der Kosten verpflichtet. Dadurch, daß die geschlechtskrank befundenen
Frauenzimmer zwangsweise angehalten werden, in einem bestimmten
Krankenhause sich heilen zu laffen, werden sie nicht zu Gefangenen
und das Krankenhaus nicht zu einer Gesängnißanstalt.
Die Revision der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
2. Auch die Revision des Klägers war nicht als begründet
anzusehen. Zwar steht nach dem unter 1 Ausgeführten fest, daß er
die von ihm für die Zeit vom 1. April bis I. Juli 1893 gezahlten
Heilungskosten nicht schuldig war; aber darauf allein kann die Rück-
forderung nicht gestützt werden. Wären, wie die Revision an erster Stelle
geltend macht, die Grundsätze der privatrechtlichen eonäieto indebiti
nicht anwendbar, weil der Kläger auf Grund einer vermeintlichen
öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gezahlt habe, so würde es völlig
an einem Rechtssatze fehlen, der im vorliegenden Falle eine Klage

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