Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 43 = 6.F. Jg. 3 (1899))

Enteignung.

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daß es ihm für einen billigeren Preis und deswegen überlassen
werden müsse, weil der enteignete Eigenthümer, wie früher die Be-
nutzung des Eigenthums, so jetzt die Entschädigungssumme, mit
Andern zu theilen habe.
Das Enteignungsgesetz bezieht sich nur auf die Entziehung von
Grundeigenthum und von Rechten daran, es beschäftigt sich in Folge
dessen nicht mit der Frage, ob auch auf Grund persönlicher Ge-
brauchs- oder Nutzungsrechte eine Antheilnahme an der Enteignungs-
entschädigung beansprucht werden könne. Es leuchtet jedoch ein,
daß der Unternehmer wegen der Existenz solcher Ansprüche an den
bisherigen Eigenthümer, also wegen eines vom Berufungsrichter
angenommenen Gewährleistungsanspruchs, und vollends dann, wenn
überhaupt kein Nutzungsrecht eingeräumt, sondern nur thatsächlich
eine Mitbenutzung geduldet worden war, noch weniger als im Fall
dinglicher Nutzungsrechte eine Werthverringerung des Grundstücks
selbst behaupten kann.
Der Versuch der Klägerin, die von den Beklagten angegriffene
Entscheidung mit den Gründen des ersten Richters zu stützen, ist
verfehlt. Der erste Richter ist davon ausgegangen, daß die ent-
eigneten Flächen abseiten der Vorbesitzer der Beklagten von vorn
herein für den öffentlichen Verkehr bestimmt worden seien und diesem
auch in der That gedient hätten; aber er hat nicht angenommen
und konnte auch nicht annehmen, daß damit schon eine öffentlich-
rechtliche Belastung zur Entstehung gelangt sei. Eine Privatstraße
wird nicht schon dadurch zu einer öffentlichen Straße, daß der Eigen-
thümer sie dem Gemeingebrauch widmet, auch dann nicht, wenn —
wie hier weiter behauptet worden ist — die Vorbesitzer der Beklagten
bei der Parzellirung ihres Grundbesitzes von der Polizei gezwungen
worden sind, die in Frage stehenden Flächen für den öffentlichen
Verkehr liegen zu lassen, worin noch nichts weiter als eine bau-
polizeiliche Anordnung zu finden ist; sondern die öffentlich-rechtllche
Eigenschaft einer Straße entsteht erst mit der Genehmigung der
Widmung oder mit der Erklärung zur öffentlichen Straße seitens
der dafür zuständigen Polizeibehörde. Es ist nun aber festgestellt,
daß die hier in Frage stehenden Straßen erst im Jahr 1891 von
der zuständigen Polizeibehörde für öffentliche Straßen erklärt worden
sind und daraufhin das Enteignungsverfahren eingeleitet worden ist.
Allerdings darf nicht übersehen werden, daß die Benutzungs-
fähigkeit eines Grundstücks durch die Verwendung, die sein Eigen-

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