Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 25 = 3.F. Jg. 5 (1881))

288 Vortrag über die Beweisaufnahme
behandelt, auf die das Mündlichkeitsprinzip keine Anwendung zu
finden habe.
Diese Stelle der Motive schließt einen großen Widerspruch in sich.
Zunächst wird der Ausdruck „Mündlichkeit des Verfahrens" als
inkorrekt bezeichnet und an seine Stelle der allgemeinere Begriff der
„Unmittelbarkeit der Verhandlung" gesetzt. Kaum aber ist dieser
Schritt zur Gewinnung eines höheren und allgemeineren Gesichts-
punktes gethan, so wird derselbe durch die Karakterisirung der
Unmittelbarkeit der Verhandlung als eines Grundsatzes, wonach die
Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem er-
kennenden Gerichte eine mündliche sein soll, nicht nur wieder rück-
gängig gemacht, sondern an die Stelle des Prinzipes der mündlichen
Verhandlung im Allgemeinen, sogar noch ein engeres Prinzip, nämlich
das der mündlichen Verhandlung durch die Parteien gesetzt.
Dem entsprechend wird denn auch die Beweisaufnahme als ein
außerhalb dieses Prinzips stehender Akt bezeichnet, während doch
gerade „die gewichtigsten" sachlichen Gründe", aus denen „die Be-
weisaufnahme, insbesondere die Vernehmung von Zeugen und Sach-
verständigen, vor dem zur Entscheidung des Rechtsstreits berufenen
Richter" geboten erscheint, in dem — von den Motiven berichti-
gend an die Stelle des Grundsatzes der Mündlichkeit gesetzten —
Grundsätze der Unmittelbarkeit liegen, wie dies auch in der spe-
ziellen Begründung zu § 310 (a. a. O. S. 489) ausdrücklich an-
erkannt wird, wo es heißt:
„Daß die Beweisaufnahme regelmäßig vor dem Prozeßgerichte
erfolgen muß, ist eine Konsequenz des Grundsatzes der Unmittelbar-
keit der Verhandlung".
So widerspruchsvoll sich nun aber die Motive in diesen Aus-
führungen gezeigt haben, einen sehr schätzbaren Gewinn kann man
aus ihnen ziehen, und dies ist der des Grundsatzes der Unmittel-
barkeit der Verhandlung, nur daß man denselben nicht an die Stelle
des Grundsatzes der Mündlichkeit setzen oder für identisch mit dem-
selben erklären, sondern daß man ihn als ein höheres Prinzip hin-
stellen muß, von dem sich das der Mündlichkeit lediglich als ein
Ausfluß karakterisirt.
Dieser Grundsatz der Unmittelbarkeit der Verhandlung will
nun aber sagen, daß dem Richter der gesammte Stoff, auf Grund
dessen er seine Entscheidung zu fällen hat, unmittelbar d. h. ohne

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