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Einzelne Rechtsfälle.
Gründen:
Es erscheint die Mge der Verletzung der §§ 2, 62 des Bundes-
gesetzes vom 6. Zuni 1870, §§ 2—6 des preuß. Gesetzes vom 8. März
1871 und des A.L.R. II. 6 §§ 81, 82 begründet.
Nach der Auffassung des zweiten Richters sind Armenverbände
nur in den durch das allegirte Bundesgesetz bezeichneten Fällen, wo
es sich um Akte der öffentlichen Armenpflege handelt, als besondere
Rechtssubjekte anzusehen und erwerbs- und handlungsfähig, von jenem
Gesetz aber lediglich mit der Befugniß ausgestattet, Ersatz ihrer
zur Unterstützung eines Hülfsbedürftigen gemachten Aufwendungen
von dem dritten dazu Verpflichteten zu fordern, und ändert hieran
nichts, daß die preuß. Ortsarmenverbände in der Regel, wie der kla-
gende, nach dem preuß. Ausftihrungsgesetz vom 8. März 1871 durch
die Gemeinden gebildet werden, weil sie dadurch nicht aushörten, ein
besonderes Rechtssubjekt zu sein.
Dieser Rechtsanschauung läßt sich im vorliegenden Falle nicht
beipflichten.
Das Bundesgesetz vom 6. Zuni 1870 (B.G.B. S. 360) ordnet
für die norddeutschen Bundesstaaten das Armenunterstützungswesen
und setzt in den §§ 2 und 3 fest, daß die öffentliche Unterstützung
durch Ortsarmenverbände, die aus einer Gemeinde oder mehreren Ge-
meinden gebildet werden können, und durch Landarmenverbändc geübt
werden soll. Es hat aber im § 8 — unter anderem — auch die
Bestimmung über die Zusammensetzung dieser Organe der öffentlichen
Unterstützung, über deren Einrichtung und über die Beschaffung der
erforderlichen Mittel den Landesgesetzen überlassen, ohne im Uebrigen
die letzteren hierbei durch eine andere Rücksicht als die seiner Zweck-
ersüllung zu beschränken. Insbesondere ist aus § 62 a. a. O., der
nur mit § 61 a. a. O. das Verhältniß der Armenverbände zu ander-
weit Verpflichteten berührt, nicht zu entnehmen, daß denselben außer
dem Recht zur Ersatzklage gegen einen dritten Verpflichteten durch die
sie erst ins Leben führenden Landesgesetze nicht noch andere Befug-
niffe haben beigelegt werden können. Die rechtliche Stellung der Armen-
verbände und namentlich die damit verbundene Erwerbs- und Hand-
lungsfähigkeit muß daher, insoweit das Bundesgesetz vorn 6. Zuni
1870 darüber nichts bestimmt, lediglich nach den dasselbe aussührenden
Landesgesetzen beurtheilt werden. Für den vorliegenden Fall kommt
also das oben bezogene preußische, und zwar nur betreffend die Bil-