Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 9 (1899))

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nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, Buch 2 Abschnitt 7.
forderungsanspruch haben, weil das Gesetz hier nicht bloß die formale Rechts-
änderung bezweckt, sondern auch t bic Vermögensänderung endgültig ausgleichen
will. Zweifelhafter ist die Frage schon bei dem Fruchterwerb des gutgläubigen
Eigenbesitzers (§ 955) und bei dem in eine fremde besetzte Bienenwohnung ein-
gezogenen Bienenschwarm (8 964). Die Worte des § 812 Abs. 1. „Wer durch
die Leistung eines Anderen oder in sonstiger Weise etwas erlangt", müssen auf jeden
Fall einschränkend ausgelegt werden.
Das Zweite ist, daß der Vermögensvortheil auf Kosten eines Änderen
erlangt sein muß. Das sächs. G.B. (8 1549) und der I. E. (748) sprachen von
einer „aus dem Vermögen eines Anderen" erlangten Bereicherung und es wurde
danach anscheinend verlangt, daß ein Vermögensgegenstand aus dem Vermögen
des Rücksorderungsberechtigten in das Vermögen des Bereicherten übertragen worden
sein müsse. Allein' so war es wohl schon zeither nicht gemeint. Es genügt, daß
jemand, die. Aussicht auf einen Vermögenserwerb aufgiebt oder einen schon voll-
zogenen Erwerb, der in Folge der Wiederaufgabe als nicht angefallen gilt; z. B.
die Erbschaft oder die Nacherbfolge wird ausgeschlagen und es tritt in Folge dessen
der Nächstberufene oder der Anwachsungsberechtigte an die Stelle des Ausschlagenden.
Oder der Nichtberechtigte verkauft eine fremde Sache, tritt eine fremde Forderung
gegen Entgelt ab, den Erlös erlangt er nicht aus dem Vermögen, wohl aber
auf Kosten des Berechtigten, den er schädigt.
Der Vermögensvortheil muß sodann ohne rechtlichen Grund erlangt sein.
Wollen Sie zunächst auf abstrakte Verträge Hinsehen, so ist nicht der formale
Grund gemeint, der bei solchen Geschäften den Uebergang des Vcrmögensgegen-
standes vermittelt, sondern der Hintergrund, von dem sich das abstrakte Geschäft
gerade loslöst, der obligatorische Vcrpstichtungsgrund, auf dem es beruht. Die
Ansprüche aus der ungerechtfertigten Bereicherung dienen eben dazu, die durch
den abstrakten. Vertrag herbeigeführte Vermögensübertragung rückgängig zu
machen, wenn das Kausalgeschäft nicht in Ordnung ging, wenn cs an rechtlichen
Mängeln litt, und je mehr abstrakte Verträge und Verpflichtungsgründe das neue
G.B. anerkennt (denken Sie an die Auflassung, die Uebergabe beweglicher
Sachen, die Ueberträgung von Rechten, an die Abtretung, die Schuldübcrnahme,
den Erlaßvertrag), um so größer ist die Bedeutung der Lehre von der ungerecht-
fertigten Bereicherung. „Sie beherrscht und durchzieht den gcsammtcn BermögenS-
verkehr" (Mot. Bd. II S. 3). -
Die Fälle, in denen es, von den abstrakten Verträgen abgesehen, an einem
rechtlichen Grunde für den erlangten Vermögensvortheil fehlt, legt auch das neue
Recht nicht abschließend fest. Es erwähnt aber die gleichen Fälle, die schon das
gemeine und das sächsische Recht und die bisherige Wissenschaft unterscheidet, die
Leistung zu Erfüllung einer Nichtschuld u. s. f. Die zeitherige Wissenschaft wird
daher die Nährmutter der ganzen Lehre bleiben. Ich möchte aber doch auf die
einzelnen Fälle noch etwas näher eingehen.

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