Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 4 (1840))

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Zöpfl:

charakteristisch und eigcnthümlich, daß, wenn einmal eine hieher ge-
hörige Lehre auf ihr oberstes Princip gebracht, wenn ein hierher ge-
höriger Begriff einmal gehörig durchdacht und erkannt worden ist,
ein zweites conträres Prineip, ein abweichender Begriff, ohne Un-
sinn nicht mehr statuirt werden kann. Man versuche z. B. nur über
emtio-venditiu, mutuum, societas, dolus, oulpa u. s. W. sich, außer
den anerkannten, einen abweichenden Begriff zu bilden, ein Merk-
mal wegzulassen oder zuzusetzen, man kehre den Satz um: pacta
sunt servanda u. dergl., so wird man sich von der Richtigkeit dieser
Behauptung überzeugen müssen. So lange daher in einer solchen
Materie die Aufstellung mehrfacher Principien oder eine abweichende
Bestimmung des Begriffes ohne offenbaren Widerspruch und Unsinn
möglich sein sollte, darf man mit Sicherheit annehmen, daß das
richtige Princip noch nicht gesunden, der richtige Begriff noch nicht
bestimmt sei, und somit wäre der Wissenschaft und Legislation ihre
Aufgabe in Bezug auf diese Lehren genau genug bezeichnet und vor-
gesteckt.
Ganz anders verhält es sich dagegen:
Zweitens, in Bezug auf jene Rcchtslehrcn, welche sich auf
Verhältnisse beziehen, in welchen der Mensch und die Völker stets nur
individualisirt, d. h. unter den Einflüssen ihrer körperlichen und an-
deren localen Verhältnissen anftreten können. Hierher gehören: das
ganze Personenrecht, Ehe, väterliche Gewalt; ferner das ganze Sa-
chenrecht, die Besitz-und Eigenthumslehre, sowie auch das Erb-
recht. Hier ist es nicht mehr dasselbe geistige Element, nicht mehr
die Willensfreiheit allein, welche allenthalben und überall gleichmä-
ßigwirkenkann: hier ist es die Natur, — jenes dXöyov, von welchem
schon Aristoteles erkannte, daß es mit bemAo/oe unzertrennlich ver-
bunden sei, — welche auf die Bestimmung des gegenseitigen Rechts-
verhältnisses der Menschen einwirkt, indem sie dieselben in bestimmte
Lebensverhältnisse versetzt; es ist die Natur, welche ihnen gewisse
Anschauungsweisen ihres socialen Verhältnisses gleichsam aufdringt
und unabweislich macht, diese organisch, klimatisch, durch Locali-
täten und hunderterlei andere Umstände bedingten Anschauungsweisen
des Lebens bilden den Punkt, wo die Nationalität der Völker sich
scheidet. Hier erzeugt sich das nationale Recht, als die, durch eine
gegebene Nothwendigkeit hervorgerufene specielle Rechtsphilosophie
der Völker. Hier nach dem absolut giltigen Rechte forschen, wo es

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