Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 16 (1856))

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Sachße:
straft, Ln den er mit sich und seiner eigenen besseren Ueberzeugung
tritt; da straft das Gewissen auch den Meineidigen nicht mehr
wegen Verletzung der Achtung, die er der Gottheit schuldet, und
wegen des Widerspruches, in den er frech mit dem Allwissenden
sich stellt. Da kann also auch der Eid nur noch geringe Gültigkeit
haben. Wer eine Lüge sich selbst verzeihen kann oder nicht vor
seinem eigenen Richterftuhle und schon deßhalb sie scheut, weil er
selbst die Wahrheit besser weiß, der wird auch nicht vor dem Rich-
terstuhle des Allwissenden, und noch weniger vor dem seiner Mit-
menschen zu lügen sich scheuen. Deßhalb sind Wort und Eid (jenes
in der Wagschale des eigenen Gewissens und der Moral; dieses
in der der Allgerechtigkeit und der Religion) von gleichem Gewichte,
sowie „sagen" und „schwören" sogar sprachlich von einer und der-
selben Bedeutung sind. Denn das altnord. Zeitwort svara, mit
welchem unser sweren, „schwören" verwandt ist, heißt ja nichts wei-
ter als „sprechen" 3). Ebendeßhalb ist aber auch des Mannes
Wort nicht minder als des Mannes Schwert, des Mannes Ehre,
und es läßt sich selbst hier, wenigstens an sprachliche Anklänge er-
innern. Denn wenn auch die Ausdrücke „Schwert" und „schwö-
ren" nicht wirklich in einer sprachlichen Verwandtschaft mit ein-
ander stehen, so sind sie doch dem Laute nach verwandt, und sowie
Ort, das Schwert, die Waffe, ortdic, Schwertschlag, orthade, der
Schwerthaber oder Anführer, und der Ausruf amb-ord, die Forde-
rung zum Kampfe ist; so bedeutet altnord., schwed., dänisch rc. ord
auch das Wort. Das Wort des Mannes soll von Stahl sein, wie
sein Schwert, und durch Unlauterkeit des Ersteren wird auch das
Anrecht des freien Mannes auf Letzteres sammt seiner Ehre ver-
scherzt. In Schweden lautet daher unser Sprichwort „Nans ord
och mans ära“ oder „des Mannes Wort ist des Mannes Ehre."
Vgl. Möller schwed. Wörterb. u. ord. — Darum sind „Eid" und
„Recht", sowie „Recht" und „Freiheit" oder „Ehre" in der alt-
deutschen Rechtssprache oft völlig gleich bedeutende Ausdrücke, da
-die Redensart „sein Recht Hinzuthun" nichts anderes bedeutet, als
„seine natürliche Freiheit und Ehre, seine Ledigkeit von aller Schuld

3) Man Pflegt bei uns — wie es scheint seit Schiller — zu sagen »er hat
eine gute Suada» (Maria Stuart I. 6. V. 100); aber das Volk in
Mitteldeutschland sagt noch jetzt deutscher »eine gute Schwarbe.»

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