Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 12 (1902))

du Chesne, Der Schadenersatz bei Verletzung absoluter Rechte. . 27
haben können, und legt dem Handelnden, wenn er vorsätzlich aus die
Rechtssphäre eines andern einwirkt, die Verpflichtung zum Schadenersatz
aus. Was die guten Sitten sind, wird dem Richter überlassen, festzustellen;
das Gesetz will und kann in diesen verwickelten Jnteressenkonflikten keine
einzelnen Kategorien aufstellen und muß dies der Moral überlassen. Der
Richter hat also im einzelnen Falle nicht nur zu prüfen, ob die Handlung
den Verkehrssitten zuwiderläust, sondern außerdem, ob sie unmoralisch ist;
Verkehrssitten, die nicht den Erfordernissen der Moral entsprechen, hat er
unberücksichtigt zu lassen. Damit ist die höchste Verfeinerung des Rechts,
die Region, wo das Recht aufhört und nur die Moral noch gebietet, er-
reicht; über die Vorschrift des § 826 hinaus herrscht nur noch die Moral.
Der Gesetzgeber geht aber noch weiter: er erkennt Fälle an, in denen
Recht und Moral in Gegensatz treten. Die Rechtssphäre des einzelnen
kann abgestorbene Bestandtheile enthalten, denen kein vernünftiges Inter-
esse .mehr entspricht, die nur noch recht, nicht mehr billig sind. Das
Recht bleibt seiner Natur nach stabil, die Interessen ändern sich, „Ver-
nunft wird Unsinn, Wohlthat Plage". Ein solches Recht auszuüben, kann
nur noch den Zweck haben, andere zu schädigen; es widerspricht dem Sitten-
gesetz, ist unmoralisch. Eine solche Rechtsausübung verbietet der § 226 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs. Hier tritt das Recht in Widerspruch mit sich selbst;
das Recht verbietet eine Handlung, , zu der es selbst die Befugniß verleiht.
Damit nimmt es ein Element in sich aus, das zerstörend wirkt und das
bei längerer Wirksamkeit den Bau des Rechts unterminiren würde. Zwar
bei dem wandelbaren Verkehrsrecht ist dies weniger bedenklich, destomehr
aber bei dem festen Unterbau des Civilrechts, dem Sachenrecht. Eine
derartige Rechtstechnik war in den einfachen Verhältnissen des republika-
nischen Rom, wo das prätorische Edikt gegenüber dem alten civil« ins
eine ähnliche Rolle spielte, vielleicht gefahrlos, nicht aber, in den unendlich
verwickelten modernen Verhältnissen; sie würde die heutzutage unentbehr-
liche Klarheit des Rechts beeinträchtigen. Mag die Moral das Recht er-,
gänzen (§ 826); aber es der Zerstörung durch die Moral preiszugeben,
wenn auch nur in beschränktem Umfange, ist bedenklich (8 226).

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