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der Rechtspflege.
die Vertheidigunsschrift ist von dem Vertheidiger schriftlich einzureichen;
der Inquisit kann sich außerdem selbst vertheidigen (§Z. 301. 303).
— Nachdem die Untersuchung geschlossen und der Vertheidigungs-
punkt berichtigt, werden die Akten an das erkennende Gericht einge-
sendct. Nach dem Vortrage des Referenten und nach dem Schlüsse
der hierauf folgenden Berathung findet vor Abfassung des Erkennt-
nisses noch eine mündliche (dem bisherigen Rechte fremde) Ver-
handlung vor dem erkennenden Gerichte mit dem Jnqui-
siten, den Zeugen oder anderen Personen statt: l) wenn der Inquisit
oder sein Vertheidiger auf eine solche mündliche Verhandlung angc-
tragen hat, welche Befugniß ihm im Schlußverhöre bekannt zu ma-
chen ist; 2) wenn dem Gerichte die nochmalige Vernehmung des
Jnquisiten, der Zeugen oder anderer Personen nothwendig oder
zweckmäßig erscheint, oder Bedenken über die Schuld oder Unschuld
vorhanden sind. Im erstern Falle hängt die mündliche Verhand-
lung nicht von dem Ermessen des Gerichts ab, sondern muß alle-
mal erfolgen (§§. 234. 317). Der Vertheidiger muß bei der
mündlichen Verhandlung gegenwärtig seyn; dieselbe beginnt mit der
Vorlesung der Relation, so weit sie die faktischen Verhältnisse be-
trifft; der Inquisit und der Vertheidiger sind berechtigt, darüber ihre
Bedenken, so wie überhaupt Alles, was zur Sache und zur Ver-
theidignng gehört, vorzntragen; über diese Verhandlungen wird ein
vollständiges Protokoll ausgenommen. — Nach beendetem mündli-
chem Verfahren erfolgt ein abermaliger, je nach dem Ergebnisse der
mündlichen Verhandlung mehr oder minder ausführlicher Vortrag
im Gerichtshöfe (§§. 318 bis 321). Die mündliche Untersuchung
der ganzen Sache, mithin die Führung der ganzen Haupt-Unter-
suchung vor dem erkennenden Richter, ist im Entwurf nicht ange-
nommen, weil sie nicht nur der gründlichen und sichern Rechtspre-
chung nachtheilig und mit dem weitern Rechtsmittel unvereinbarlich,
sondern auch ohne gänzliche Reform der bestehenden Gerichtsverfas-
slmg und ohne unerschwingliche Kosten unausführbar sei und zur
Belästigung des Publikums gereiche. Auch erklärt sich der Ent-
wurf gegen jede Oeffentlichkeit, indem er die Rechtmäßig-
keit und Gründlichkeit des Verfahrens, des Gehörs des Angeschul-
digten und des Erkenntnisses, nicht allein durch die Zuziehung eines
zweiten Gerichtsmitgliedes oder zweier Beisitzer, so wie des Ver-
theidigers zu den wichtigeren Verhandlungen und durch die münd-