Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

342 Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
fiskalische Sache, wenn die That mit Freiheitsstrafe über 6Wo-
chen, Amtsentsetzuug, Degradation, Verlust gewerblicher oder Ehren-
rechte, Orts- oder Bezirksverweisung oder Geldbuße über 50Thlr.
zu bestrafen ist. Das Criminalverfahren unterscheidet sich von dem
fiskalischen Verfahren nach dem Entwurf hauptsächlich nur dadurch,
daß dort ein artikulirtcs Verhör am Schluffe der Untersuchung in
Gegenwart des Vertheidigers nothwendig ist, während hier jenes
Verhör wegfällt und die Gegenwart des Vertheidigers im Schluß-
termin zwar gestattet, aber nicht vorgeschrieben ist. Auch das Cri-
minalverfahren soll künftig rein inquisitorisch bleiben; der An-
klageprozeß und ein öffentliches Ministerium werden nicht für zu-
träglich erachtet. In Criminal - und fiskalischen Untersuchungen sollen
dagegen zum Schlußverhöre, zum Verhöre und zur Verhandlung
über den Widerruf eines gerichtlich abgelegten Geständnisses, zur
Confrontation des Angeschuldigten mit Mitschuldigen oder Zeugen,
oder der letzteren mit einander und zu Verhandlungen über die
Aufnahme des Beweises und insonderheit über die Vernehmung der
Zeugen, außer dem Richter und dem Protokollführer, jedesmal ein
zweites Gerichtsmitglied oder ein Referendarius, oder in deren Er-
mangelung zwei ehrenhafte, des öffentlichen Vertrauens würdige
Männer als Gerichtsbeisizer zugezogen werden (§. 26 sq.)6).
Für das Verfahren in Criminalsachen sind noch folgende Be-
stimmungen beantragt. Zu dem angeordneten Schlußverhöre müssen
dem Angeschuldigten über alle erhebliche einzelne Umstände nochmals
spezielle, vor dem Verhöre zu entwerfende Fragen vorgelegt wer-
den (§. 284). Die Bestellung eines Vertheidigers muß schon vor
dem Schluffe der Untersuchung erfolgen und der Vertheidiger beim
Zeugenverhöre und Schlußverhöre gegenwärtig seyn (88. 214. 288.
291); ihm müssen überhaupt alle erhebliche Verhandlungen mitge-
theilt werden. Wenn das dem Jnquisiten zur Last gelegte Verbre-
chen mit Todesstrafe oder mit zehn - oder mehrjähriger Freiheits-
strafe belegt, oder der Jnquisit noch nicht sechzehn Jahre alt ist,
so .st eine Verzichtleistung auf den Vertheidiger unzulässig (8. 292);

6) Nach der gegenwärtigen Gesetzgebung ist in Criminalsachen das
Gericht durch eine Gerichtspersvn und einen Protokollführer oder,
in Ermangelung des letzteren, zwei Gerichtsbeisitzer gehörig besetzt;
in fiskalischen Sachen bedarf es nicht einmal des Protokollführers.

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