Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

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Reyscher:

von Rechtswegen von der Erbschaft ausgeschlossen gewesen77),
müßte daher nicht blos für die Verzichte oder deren Nochwendigkeit
im objektiven Sinne78), vielmehr zunächst dafür sprechen, daß die
Töchter, auch wenn sie nicht verzichtet, gleichwohl als verzichtet an-
genommen wurden, oder wenigstens dafür, daß die Töchter zu
Leistung des Verzichts als der Erfüllung einer bloßen Formalität
(subjective Nothwendigkeit) rechtlich verbunden gehalten wurden;
wogegen aber schon der Umstand spricht, daß in den einzelnen Ver-
zichtsbriefen immer versichert wird, wie die Verzichtende lediglich
durch ihren freien Willen und durch besondere Rücksicht auf ihre
Brüder zu verzichten bewogen worden. Die älteren Juristen, in-
dem sie die Gültigkeit der Gewohnheit von einer stillschweigenden
Billigung der gesetzgebenden Gewalt ableiteten, und daher auf Seite
der letztem den animus introducendi forderten79), konnten confe-
quenterweise zu der Eichhornschen Ansicht nicht gelangen; denn,
wenn auch jener animu8 unter gewissen Bedingungen (con8uetudo
rationabilis, frequentia actuum et temporis diuturnitas) voraus-
gesetzt wurde, so kam es doch hierbei auf die Absicht der Einzelnen
(qui diuturnis moribus utuntur) weniger (Ut, als auf das äußere
Gepräge ihrer Handlung und deren Verhältnis) zur Gesetzgebung,
welche einen Verzicht allerdings nicht überflüssig machte. Aber auch
bei derjenigen Ansicht, wonach der consensus utentium oder wie
man sich jetzt ausdrückt, das allgemeine Volks- oder Standes-Be-
wußtseyn entscheidet, kann es nicht genügen, daß eine Reihe von
Verzichten statt gefunden, um das Recht, worauf verzichtet, schon

77) Staats- und Rechtsgesch. 4. Ansg. §. 454. 569.
78) In dieser objektiven, nicht in der subjektiven Bedeutung, welche
erst Erfindung der Schule ist, wird das Wort Nothwendigkeit
zuweilen in den Urkunden gebraucht, z. B. in der Erbeinigung
des Hauses Sayn-Witgeustein v. 1607 bei Lünig, Reichsarchiv
P. spec. c. 2. (Bd. 11) S. 430. „weil die Renuntiationes nit
ex necessitate, sondern allein zu Stamms - und Namens Erhaltung
erfordert werden." Hier, wo die Nothwendigkeit der Verzichte
im objeetiven Sinne nicht anerkannt ist, wird eben daraus die
Nothwendigkeit im snbjectiven Sinne für die Töchter gefolgert,
sich der Ausstellung als einer schuldigen Formalität zu unterziehen.
79) Z. B. Lanterbach in einem Tübinger Responsum, bei F. Ch.
Harpprecht tract. acad. tom. II. p. 30.)

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