Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 6 (1841))

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Reyscher:

Bei dem nieder» Adel succedirte gewiß schon im 14. Jahr-
hundert überall in Deutschland die Tochter in das gesammte
Erbe, wenn keine Söhne vorhanden waren, gleich-
wie beim hohen Adel das Herkommen sich zu Gunsten der
Töchter neigte, je öfter diesen zum Nachtheil entfernterer
Stammsvettern selbst das mit Lehen vermischte Erbe zuge-
wendet wurde.
Daraus wird zu erklären gesucht, daß die Töchter bei ihren Ver-
zichten schon im 15. Jahrhundert zuweilen den Anfall des Erbes
sich Vorbehalten haben, falls ihre Brüder keine leibliche Erben oder
nur keine männliche Erben hinterlassen würden. Allein daß die
Töchter gegen die Stamms-Vettern im Erbe zurückgestanden
wären, läßt sich auch nach dem älter» Recht (das fränkische und thü-
ringische ausgenommen) nicht behaupten; die Neuerung kann also
nicht darin bestanden haben, daß sie ihnen vorgesetzt wurden, (denn
darin stimmten das sächsische und schwäbische Recht überein) son-
dern nur darin, daß die Töchter jetzt häufiger, wie früher, zu Gun-
sten ihrer Brüder auf das gesammte väterliche Erbe, oft
auch auf mütterliche und brüderliche Erbschaft verzichteten,
und dadurch das strengere sächsische Recht zur Anwendung brachten.
Auf den Sachsenspiegel unmittelbar läßt sich freilich, wie
auch Eichhorn bemerkt, diese Sitte nicht stützen, denn der Sachsen-
spiegel nimmt die Töchter von selbst als durch die Söhne im
gesummten väterlichen, mütterlichen, brüderlichen und
schwesterlichen Erbe ausgeschlossen an (s. §. 2); wohl aber
wurde den Töchtern der Verzicht jetzt zuweilen durch Statuten
zur Pflicht gemacht; oder es wurden geradezu auf diesem Wege
die Töchter zum Besten der Söhne von der Erbfolge ausgeschlossen
erklärt. Im letzteren Falle bedürfte es, wie schon Zasius, der
auf die Einführung des römischen Rechts im südlichen Deutschland
großen Einfluß hatte, richtig erkannte62), keines Verzichts, und wenn

62) II. Zasius ad L. 61: de V. O. cap. 2 concl. 3. Nam quamvis
civitates non habeant hujusmodi consuetudines in Germania, tamen
nobiles comuniter habeat haec statuta, maxime comites, sicut co-
mites de Bitsh et domini de Rapoltstein, quibus ego feci, quod
deinceps non est necesse filias renuntiare, cum sint statuto exclusa,
nihilominus renunciant ad cautelam abundantem.

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