Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 6 (1896))

3.2. Auszüge aus neueren Entscheidungen des Reichsgerichts.

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Auszüge aus neueren Entscheidungen des Reichsgerichts.

Auszüge ans neueren Entscheidungen des Reichsgerichts.
1. Die Klägerin war auf Antrag ihrer Schwester, der Wittwe G-, dem sich
die Staatsanwaltschaft angeschlossen hatte, durch Beschluß des Amtsgerichts Frei-
burg zwar nicht entmündigt, aber „verbeistandet" worden (Art. 499 code civil).
Sie erhob gemäß § 607 Abs. 1 der C.P.O. Anfechtungsklage gegen den Staats-
anwalt und lud die Wittwe G. als Antragstellerin gemäß § 607 Abs. 2 bei.
Letztere ließ sich in der mündl. Verhandlung vertreten, seiten der Staatsanwalt-
schaft erschien Niemand. Das Landgericht wies die Klage ab. Klägerin wendete
Berufung ein, und ließ das angefochtene Urtheil dem Staatsanwalt bei dem Land,
gericht am 18. März, die Berufungsschrift aber dem Oberstaatsanwalt bei dem
Obcrlandcsgericht am 8. April, dem Staatsanwalt beim Landgericht' und dem
Prozeßbevollmächtigen der Nebenintervenientin, Rechtsanwalt K., erst am 9. April
1895 züstcllen. Letzterer aber hat das landgerichtliche Urtheil dem Prozeßbevoll-
mächtigten der Klägerin schon am 8. März zustellen lassen. Die Berufung
wurde als unzulässig verworfen, die Revision zurückgewiesen.' „Die Berufungs-
frist wurde zwar gegenüber der beklagten Staatsanwaltschaft gewahrt, ob man
deren Lauf mit dem 18. oder schon mit dem 8. März beginnen läßt, da die Zu-
stellung der Berufungsschrift, die am 8. April an den Staatsanwalt bei dem
Oberlandesgericht erfolgte, für ordnungsmäßig und wirksam zu erachten ist." Entsch,
des R.G.'s in Civils. Bd. 18 S. 405. Jur. Wochenschr. 1890, S. 150',
1892 S. 4252. Mit Recht ist aber das O.L.G. davon ausgegangen, daß es
nicht allein auf die Zustellung an die Hauptpartei ankomme, daß vielmehr die
Berufungsfrist auch gegenüber der beklagten Streitgenossin durch rechtzeitige Zu-
stellung der Berufungsschrift an diese gewahrt werden mußte. An den Prozeß-
bevollmächtigten der Wittw. G., auf dessen Betreiben das landgerichtliche Urtheil
der Klägerin am 8. März zugestellt'worden war, ließ aber di» letztere ihre Be-
rufungsschrift erst am 9. April, also nach §§ 200, 477 Abs. 1 der C.P.Oi ver-
spätet züstcllen. Zur Begründung der Revision wurde geltend gemacht, daß das
landgerichtliche Urtheil überhaupt nur zwischen'der Klägerin und der Staatsan-
waltschaft ergangen sei und daß deshalb die Klägerin nur gegen die Staatsan-
waltschaft Berufung einlegen konnte... Allein aus dem Urtheil ist deutlich zu
ersehen, Welches die Parteien waren (§ 284 Ziff. 1 der C.P.O.) und daß die
Klage auch gegenüber der auf Seite des beklagten Theils dem Streite beigctretenen
Antragstellerin Wittwe G.» die nach § 607 Abs. 2 der C.P.O. im Sinne des
§ 59 der C.P.O. als Streitgenofsin der Hauptpartei gilt, abgcwiesen wurde.
Die prozeßrechtliche Vorschrift, daß hier eine notwendige Streitgenossenschaft be-
stehe, das streitige Rechtsverhältniß also nur einheitlich gegenüber allen Streit-
genossen festgestellt werden könne, bedingte daher die rechtzeitige Einlegung der
Berufung gegenüber Heiden Streitgenossen, welche nur durch Zustellung der Be-

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