15.
Entscheidungen
15.1.
Entscheidungen des Reichsgerichts und Sächsischer Gerichte.
15.1.1.
Zur Lehre vom Spezifikationskauf. Kannd er Verkäufer, wenn der Käufer mit der Spezifikation säumig ist, diese selbst vornehmen? (Pr. A.L.R.)
Zur Lehre vom ^pezifikationskauf.
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Entscheidungen.
Entscheidungen des Reichsgerichts und Sächsischer Gerichte.
Zur Lehre vom Spezifikationskauf. Kann der Verkäufer» wenn der Käufer
mit der Spezifikation säumig ist. diese selbst vornehmen? (Px. A.L.R.)
Urtheil des R.G. I. Civ.-Sen. vom 18. März 189«. 412/9«.
Entscheidungsgründe.
Dem Berufungsurtheil kann allerdings darin nicht beigctreten werden» daß
der Verkäufer schlechthin nicht berechtigt wäre, beim Verzüge des Käufers in der
Spezifikation zu einer dem Vertrage entsprechenden Lieferung zu gelangen, auch
wenn der Käufer trotz der Aufforderung deS Verkäufers nach eingetretenem Ver-
. zuge die Spezifikation nicht vornimmt. Der Kauf mit vorbehaltener Spezifikation
ist eine neue Gestaltung, welche das wirthschaftliche Bedürfniß erzeugt hat. Er
ist weder dem Preußischen Allgem. Landrecht noch dem H.G.B. bekannt. Er
dient einem ganz anderen Zweck als sonst die generische oder die alternative oder
die bedingte Obligation. Deshalb wird man nicht durch bloß logische Subsumtion
unter diese Kategorien den darüber bestehenden Streit der Meinungen schlichten,
welche Rechte dem Verkäufer zustehen, wenn der Käufer sich in der Spezifikation
säumig erweist, ob namentlich der Verkäufer anstatt des Käufers spezifiziren darf.
Man muß die geschäftlichen Intentionen und die geschäftlichen Interessen beider Theile
mit zu Rathe ziehen, um zu finden, was in diesem Falle der Natur der Sache entspricht.
Der Handelsverkehr dient wirthschaftlichen Bedürfnissen beider Theile; jede
Partei hat bei Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten deshalb nach Treu und Glauben
aus die Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen.
Ist eine nur generisch bestimmte Maare verkauft, so ist der Verkäufer nicht
in Verlegenheit. Er hat Handelsgut mittlerer Art und Güte, wenn nach Probe
verkauft ist, probemäßige Maare zu liefern. Er kann danach aus seinen Vor-
räthen auswählen, anschaffen oder fabriziren.
Ist aber dem Käufer innerhalb gewisser Grenzen die nähere Bestimmung von
Maaß, Stärke, Sorte der zunächst nur generisch bestiminten, in der Regel erst zu
fabrizirenden oder doch anzuschaffendm Maare Vorbehalten, so kann der Verkäufer nicht
mit Anschaffung oder Fabrikation beginnen, so lange der Käufer nicht spezifizirt hat.
In vielen Artikeln ist die vorbehaltene Spezifikation das Gewöhnliche. Wenn
ein Preisrückgang eintritt, kommen die Käufer leicht in Versuchung, sich mit der
Spezifikation säumig zu erweisen. Sie fangen an zu mäkeln, versuchen am Preise
zu drücken, machen Schwierigkeiten. Der Verkäufer oder sein Lieferant hat sich
aber auf die Fabrikatton eingerichtet, die Fabrik oder die für den Fabrikbetrieb
angenommenen Techniker und Arbeiter müssen beschäftigt werden. Er kann nicht
aus die Spezifikation beliebig lange warten; sonst müßte die Fabrik stillstehen oder
die Reihenfolge der Fabrikation wird gestört. Er muß also ein Mittel haben.