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Zu § 45 der Geb.O. für Rechtsanwälte. Unzulässigkeit der Ansetzung einer an sich unstatthaften Gebühr für einen nicht am Orte des Prozeßgerichts wohnhaften Anwalt unter der Berufung darauf, daß, wenn ein am Orte des Prozeßgerichts wohnhafter Anwalt bestellt worden wäre, ein höherer Kostenaufwand entstanden sein würde.
256 GebD. für R.Änw. 8 45.
Zu Z 45 der Gcb.O. für Rechtsanwälte. Unzulässigkeit der Ansetzung
einer an sich unstatthaften Gebühr für einen nicht am Orte des Prozeß-
gerichts wohnhaften Anwalt unter der Berufung darauf, daß. wenn
ein am Orte des Prozetzgerichts wohnhafter Anwalt bestellt worden wäre,
ein höherer Kostenaufwand entstanden sein würde.
O.L.G. Dresden, Beschl. vom 7. März 1894. II. C. 19/94.
In der vor dem Landgericht Leipzig anhängigen Rechtssache hat auf Ersuchen
des Prozeßgerichts die Abhörung von Zeugen vor dem Amtsgericht Borna statt-
gefunden. Den Beweisaufnahmetermin hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten,
der in Borna wohnhafte Rechtsanwalt Dr. R., durch den ihm vom Präsidenten
des Landgerichts bestellten Vertreter, dm Refermdar vr. S. abwarten lassen. In
der eingereichten Kostmberechnung hat die Beklagte außer der nach Höhe von je
fünf Zehntheilen berechnetm Beweis- und Schlußverhandlungsgebühr eine Beweis-
gebühr von fünf Zehntheilen unter Bezugnahme auf § 45 der Geb.O. für RA.
in Ansatz gebracht. Gegen dm vom Landgericht unter Hinweis auf den Schlußsatz
des § 18 der Rechtsanwaltsordnung verfügten Abstrich dieser letzteren Gebühr
richtet sich die Beschwerde. '
Der Beschwerdeführerin ist zuzugebm, daß, wenn sie einm in Leipzig wohn-
haften Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten bestellt hätte, durch ihre Vertretung
bei dem in Borna angestandmen Beweisaufnahmetermine ein höherer Kostenaufwand
als die mit fünf Zehntheilen berechnete Beweisgebühr verursacht sein würde. Allein
es kommt nicht darauf an, welche Kosten unter andem thatsächlichen Voraussetzungen
zulässiger Weise hätten mtstehen können, sondern darauf, welcher Kostmbetrag ver-
möge der konkreten Gestaltung des Verlaufes des Prozesses vom Prozeßbevollmäch-
tigten berechnet werden darf. Der Rechtsanwalt vr. R. hat bereits eine Beweis-
gebühr nach Höhe von fünf Zehntheilen in Ansatz gebracht; der nochmalige Ansatz
dieser Gebühr ist nach 8 25 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte unzulässig.
Die Vorschrift in § 45 der Geb.O. f. R.A., auf welche in der Kostmberechnung
Bezug genommen ist, steht der Beschwerdeführerin nicht zur Seite; die daselbst
erwähnte Gebühr von fünf Zehntheilen steht nur dem Rechtsanwälte zu, dessen
Thätigkeit sich auf die Vertretung in einem nur zur Leistung des durch ein Urtheil
auferlegtm Eides oder nur zur Beweisaufnahme bestimmten Termine beschränkt,
also keinesfalls dem Prozeßbevollmächtigten selbst.
Die gegenwärtige Entscheidung steht auch nicht mit der vom Reichsgericht in
Band 14 der Entscheidungen für Civilsachm Seite 377 stg. unter Billigung der vom
Oberlandesgericht vertretmm Rechtsansicht veröffentlichten Entscheidung im Wider-
spruch. Es handelt sich in der jetzt vorliegenden Sache nicht um den Ersatz von
Reisekosten, sondern um dm nach § 25 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte
unzulässigen doppelten Ansatz einer Beweisgebühr, ganz abgesehen davon, daß in
dem angezogmen Rechtsfalle eine ganze Anzahl von Beweisaufnahmeterminm —
in der jetzigen eine einzige auswärtige Zeugenabhörung — stattgefunden, übrigens
auch der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nach den Akten nicht eine einzige
Reise von seinem Wohnorte an dm Sitz des Prozeßgerichts untemommen hat.
Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels treffen die Beschwerdeführerin nach
8 92 der Civilprozeßordnung in Verbindung mit § 45 des Gerichtskostengesetzes.