Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 6 (1896))

9. Entscheidungen

9.1. Entscheidungen des Reichsgerichts und Sächsischer Gerichte.

9.1.1. Zustandekommen eines Vertrages über Lieferung eines Lotterielooses zwischen dem Kollekteur und dem Käufer durch Aufgabe eines das Loos einhaltenden, für den Käufer bestimmten Briefes zur Post.

Lotterieloos. Perfectio» des Vertrages.

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Gntschei-ungen.
Entscheidungen des Reichsgerichts und Sächsischer Gerichte.
Zustandekommen eines Vertrages über Lieferung eines Lotterielooses
zwischen dem Kolletteur und dem Käufer durch Aufgabe eines das Loos
enthaltenden, für den Käufer bestimmten Briefes zur Post.
Urth. d. RG. I Cs. v. 15. 1. 1896 I 304/95.
Als im Jahre 1890 die Schlußziehung der Schloßfreiheitslotterie bevorstand,
machte die beklagte Firma O. B. & Co. in Berlin durch Zeitungsinserate be-
kannt, daß sie Loose oder LooStheile zu dieser Ziehung zu bestimmten Preisen ab-
gebe. Daraufhin ersuchte der Klager die Firma O. B. & Co., indem er der-
selben den entsprechenden Geldbetrag durch Postanweisung zugehen ließ/ um Ueber-
sendung eines Achtelloses. O. B. & Co. gaben darauf ein Achtel des Looses
43985 in einem Briefe zur Post, auf welchem Th. Zenther in X. als Adressat
bezeichnet war, während der Kläger Franz Zenkner heißt. Dieser Brief gelangte
als unbestellbar an O. B. .& Co. zurück. . O. B. & Co.. entnahmen aus dem
zurückgekommenen Briefe das Achtellos 43985 und sandten, als der Kläger nach
begonnener Ziehung an die Ueberscndung des verlangten Achtelloses erinnerte,
diesem ein Achtel des. Looses 55304, wobei sie zugleich den geöffneten, mit der
unrichtigen Adresse Th. Zenther versehenen Umschlag des ersten Briefes beifügten.
Am 8. 7. 90. war bei der am Tage vorher begonnenen Ziehung der Lotterie auf
daS LooS 43985 ein Gewinn von 40000 Mk. gefallen. Das Loos 55304 war
eine Niete. O. B. & Co. haben auf das dem ersten Briefe entnommene Achtel-
los ein Achtel des auf diese Loosnummer gefallenen Gewinnes erhoben. Der
Kläger verlangte von ihnen Herausgabe dieses GewinnantheilS und drang damit
auch beim Reichsgericht durch.
Entscheidungsgründe.
Der Anspruch des Klägers ist begründet, wenn zwischen ihm und O.
B. & Co. ein Vertrag zustande gekommen war, der letztere verpflichtete, dem
Kläger ein Achtellos der Nr. 43985 zu liefern. Stand diese Verpflichtung ver-
tragsmäßig fest, so waren O. B. & Co. zwar den Lotterie-Unternehmern
gegenüber noch zur Erhebung des auf jene Loosnummer gefallenen Gewinnes legi-
timirt, solange das Loos sich in ihren Händen befand, aber sie waren verpflichtet,
diesen Gewinn an den Kläger herauszugeben, denn wenn der Kläger berechtigt
war, von O. B. & Co. die Übertragung des Besitzes eines bestimmten Looses
als Trägers der sich an dasselbe knüpfenden Gewinnhoffnung zu fordern, so steht
ihm auch der Anspruch auf denjenigen Gewinn zu, den er als Besitzer dieses
Looses selbst von dem Lotterie-Unternehmer hätte einziehen können. Es bedarf
deshalb nicht der Untersuchung, ob der Kläger durch die erfolgte Absendung des

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