Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 2 (1839))

Hannoversche Verfassungsfragen. 26
(Räche und Landschaft) „Wissen und Vollworth" sonsten
keine neue Constitution oder Ordnung machen oder publiciren zu las-
sen *). Und dies ist bis späthin als Regel beibehalten worden1 2 3).
Eine gleiche, wiewohl minder bestimmt ausgedrückte, Mitwirkung fand
im Kalenbergischen Statt, nach dem Zeugnisse der Landtagsab-
schiede von den Jahren 1628 u. 1639^). Auch in der neuen hannö-
verschen Provinz Ostfriesland, wo die auf Volksgemeinden gebaute
alte Verfassung am längsten sich erhielt, und namentlich durch das
Recht der freien Satzung oder Willkür auf den allgemeinen Land-
tagen zu Upstalsboom bei Aurich bis späthin sich geltend machte,
war es, nachdem die Landeshoheit auch dort sich festgesetzt hatte, im-
mer noch Grundsatz, daß neue Verordnungen nur mit Eonsens
und Vollwort der Prälaten, guten Männer und Häuptlinge zu
Stande kommen konnten 4). Bei Besitznahme Ostfrieslands von
Seite Preußens im Jahr 1744 wurde sogar den Landständen das
für diese Zeit außerordentliche Zugeständniß gemacht, daß Alles,
was auf dem Landtage in allgemeinen Landessachen nach Landtags-
recht per majora abgehandelt und beschlossen sei, zur Erecution ge-
bracht und Seine Majestät solches ohne die geringste Aenderung con-
firmiren wollen 5).
Wenn wir nun freilich das hannoversche Patent von 1819 für
sich betrachten, so scheint es, daß die allgemeinen Stände das Recht
der Einwilligung zu neuen Gesetzen nicht haben sollten, sondern
blos ein Recht auf Zurathziehung; und obschon Mauernbrecher
(Deutsches Staatsrecht, §.155, No. 3) behauptet, daß unter dem
Rechte des Beiraths verstanden sei: das Recht „alle Gesetze über
Privat- und Criminalrecht zu begutachten, also auch (?) solche zu
verwerfen," so können wir doch dieser Schlußfolgerung nicht beitreten,
da unter dem Rechte der Stände, zu Rathe gezogen zu werden,
wörtlich blos verstanden ist: die Befugniß, landesherrliche Gesetzes-
vorschläge, welche ihnen jedenfalls vorgelegt werden mußten, für

1) Zacobi, Sammlung lüneburgischer Landtagsabschiede, Th. I. S. 341.
2) Bilderbeck, a. a. O. S. 244.
3) Pfeffinger, Historie des braunschweig-lüneburgischen Hauses, Th. III.
S. 292 u. 293. 330 u. 332.
4) Ostfriesisches Landrecht, Cap. 46. Vorberkcht dazu von Wicht, §. 52.
5) Friese, Ostfries- und Harlingerland, l. S. 83.

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