Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 4 (1894))

23.1.13. Zur Auslegung des Wortes: "reizen" in § 1563 des B.G.B.'s. Scheuwerden von Pferden in Folge des Gebrülls wilder Thiere, die in einer auf einem öffentlichen Platze aufgestellten Thierbude verwahrt sind.

624 Zu § 1563 des V.G.B.'s. „Reizen" von Thieren.
anspruch nach §§ 1530, 1538 des V.G.B.'s auf das Fehlschlagen dieser Erwar-
tung nicht gründen können. Denn die von ihm behaupteten Erklärungen des Be-
klagten haben ihm keinen Zweifel darüber lassen können, daß dieser die Ueberlassung
der Restauration nur an ihn und seine Ehefrau in Aussicht genommen habe,
daß also der Beklagte von der Absicht geleitet wurde, es sollten die Vortheile
jener „Ueberlassung" nicht blos dem Kläger sondern auch dessen Ehefrau zu Gute
gehen. Ganz abgesehen davon, daß sich aus jenen dem.Beklagten in den Mund
gelegten Verheißungen nicht im Geringsten abnehmen läßt, wie der Beklagte sich
die Ueberlassung der Restauration gedacht, ob er dabei die Verpachtung oder die
unentgeltliche Einräumung der betreffenden Lokalitäten, des Inventars u. f. w.
im Auge gehabt habe, mußte der Kläger sich selbst sagen, daß ihm durch jene
Verheißungen eine sehr unbestimmte, mannichfachen Wechselfällen unterworfene Aus-
sicht eröffnet worden sei und daß er insbesondere auch auf die nach Befinden mit
ihrer Verwirklichung verbundene Verbesserung seiner Vermögenslage nach dem Tode
seiner Frau nicht mehr würde rechnen können. Dieses letztere unbestritten im Jahre
1892 eingetretene Ereigniß genügt daher, um die Erwartung des Klägers, daß er
dereinst als selbstständiger Inhaber einer Bahnhossrestauration sein Auskommen
finden werde, als eine blos auf unsichern Grund gebaute Hoffnung erscheinen zu
laffen. Nur da aber, wo gewisse Leistungen auf Grund einer nach dem gewöhn-
lichen Gange der Dinge berechtigten Voraussetzung gemacht worden sind, ist bei
dem Nichteintritte derselben ein Kondiktionsanspruch anzuerkennen, während in dem
Falle, wo der Beweggrund zu den Leistungen im Wesentlichen nur auf eine von den
Wechselfällen der menschlichen Dinge abhängige Spekulation zurückzuführen ist, der
Leistende keinen Anspruch auf Ersatz der Opfer hat, welche er einer vergeblichen
Hoffnung gebracht hat (vergl. Wengler's Archiv N. F. Bd. 4, S. 697).

Zur Auslegung des Wortes: „reizen" in § 1568 des B.G.B.'s. Scheu-
werden don Pferden in Folge des Gebrülls wilder Thiere, die in einer
auf einem öffentlichen Platze ausgestellten Thierbude verwahrt sind.
L.G. Freiberg, Urtheil vom 8. Juni 1894. Dg. 40/94.
(Aus den Gründen). Daß die dem Beklagten gehörigen Pferde auf dem hie-
sigen Wernerplatz scheugeworden sind, sich der Herrschaft des Geschirrführers ent-
zogen und den Kläger ohne dessen Verschuldung umgerissen haben, ist vom Vorder-
richter zutreffend ausgesührt worden rc.
Was die Ursache des Scheuwerdens anlangt, so hat der Zeuge F., der mit
seinem Hundewagen dem Kutschgeschirr des Beklagten in dem entscheidenden Augen-
blick begegnete, mit Bestimmtheit bekundet, daß die Pferde, gerade als die wilden
Thiere in der auf dem Wernerplatz aufgestellten Thierbude in außergewöhnlicher
Weise brüllten, in die Höhe stiegen und plötzlich davonrasten rc.
Das Vorhandensein eines anderen Grundes, der das Scheuwerden der Pferde
bewirkt haben könnte, ist vom Kläger nicht behauptet worden. Kläger hat sich
vielmehr auf den Hinweis beschränkt, daß das Scheuwerden eines Pferdes durch
alle möglichen Ursachen, wie durch ein auf der Straße liegendes Stück Papier,
das vom Winde bewegt wird, das Vorüberfliegen eines Vogels hervorgerufen wer-
den könne. Dies wird zwar durch die tägliche Erfahrung bestätigt. Allein diese
Erfahrungsthatsache kann so lange aus dem Kreise der Berechnung ausgeschlossen

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