44 Versicherung bei einer nicht zugelassenen Gesellschaft.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob hierzu ein Jrrthum, vermöge dessen der
Beklagte die Klägerin für eine zum Geschäftsbetriebe im Königreiche Sachsen zu-
gelassene Versicherungsgesellschaft gehalten hätte, für sich allein ausreichen würde;
es mag nur bemerkt werdeir, daß die Bejahung dieser Frage dann, wenn man
dem Verlangen der Klägerin entsprechend der Beurtheilung des Rechtsstreits das
Preußische Allgemeine Landrecht zu Grunde zu legen hätte, jedenfalls weniger be-
denklich erscheinen würde, als bei Anwendung der Vorschriften in § 841 des
Sächs. B.G.B.'s. Denn nach § 81 Thcil I Titel 4 des Preußischen Landrechts
ist ein Vertrag schon dann rechtsunwirksam, wenn der eine Theil sich über solche
Eigenschaften des anderen Theils in Jrrthum befunden hat, welche bei Rechts-
geschäften der in Frage stehenden Art gewöhnlich vorausgesetzt werden. Die
Frage, ob ein solcher Jrrthum im vorliegenden Falle gegeben und bez. welches
Recht maßgebend sei, kann jedoch unbeantwortet bleiben, da der im Berufungs-
versahren vom Beklagten vertretenen Meinung bcizupflichten ist, daß der Vertrag
wegen betrüglicher Täuschung, deren sich der Vertreter der Klägerin schuldig ge-
macht, der Anfechtung unterliege. Aus der von der Klägerin selbst beigebrachten
Urkunde I ergiebt sich, daß dieselbe Kenntniß von dem Inhalte der Königl. Sächs.
Verordnung vom 16. September 1856 mindestens bereits seit Ende April 1888
besessen hat, denn es ist ihr ein Abdruck derselben von dem K. Ministerium des
Innern mitgcthcilt worden. Sie hat somit zur Zeit des Abschlusses des hier in
Frage befangenen Vertrages gewußt, daß sie Versicheriingsgeschäfte in Sachsen so
lange, bis sie die Genehmigung des genannten Ministeriums erlangt habe, nicht
machen dürfe und, wenn sie es thue, dies strafbar sei. Mag sie nun auch ge-
gründete Hoffnung gehabt haben, diese Genehmigung zu erlangen, so hat sie doch
im Januar 1889 gewußt, daß die Genehmigung noch nicht ertheilt sei.
Rach Ansicht des Berufungsgerichts hätte es ihr nun, dafern sie es, des
bestehenden Verbotes ungeachtet, unternehmen wollte, schon vor Erlangung der
Zulassung in Sachsen dort Versicherungsverträge abzuschließen, nach den Grund-
sätzen von Treu und Glauben obgelcgen, den Personen, mit denen sie in Ver-
handlung trat, von dein Sachstande Kenntniß zu geben, und ist es als eine unter
den Begriff civilrechtlichcn Betruges fallende Unterdrückung wahrer Thatsachen,
deren Mittheilung nach Lage der Sache vom Beklagten erwartet werden durste,
anzusehen, wenn der Vertreter der Klägerin dieses Umstandes vor und bei den
Vertragshandlnngen vom 11. Januar 1889 keine Erwähnung gethan hat. Die
Vertreter der Klägerin mußten sich sagen, daß es den Sächsischen Landwirthen,
mit denen sie Geschäftsverbindungen anknüpften, nicht gleichgültig sein werde, ob
die Gesellschaft, der sie sich anschließen sollten, in Sachsen zugelassen sei oder nicht,
und daß viele, dafern sie den wahren Sachstand erführen, sich zu einem Ver-
sicherungsverträge schon um deswillen nicht verstehen würden, weil sie sich nicht
dazu hergeben wollten, bei einer von ihrer Obrigkeit gemißbilligten, der Klägerin
bei Strafe verbotenen Handlung mitzuwirken. Es liegt kein Grund vor, zu be-
zweifeln, daß sich der Vertreter der Klägerin, durch dessen Vermittlung der jetzt
in Frage befangene Vertrag abgeschlossen worden ist, und den die Klägerin voll
zu vertreten hat, dieser naturgemäß sich darbietenden Erwägung verschlossen habe,
in Ermangelung eines Anhalts für das Gegentheil muß deshalb angenommen
werden, daß er deil wahren Sachverhalt um deswillen verschlviegen habe, weil er
von dessen Aufdeckung Mißerfolg seiner Bemühungen um Erlangung von Ver-
sicherungsanträgen befürchtet hat.
Unbedenklich darf auch dem Beklagten geglaubt werden, wenn er versichert,