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Weiske:
werden Rechtsbelehrungen an Bauern ertheilt, sowie auch derar-
tige Streitsachen entschieden. Das Ganze ist alphabetisch geordnet
— eine Art Rechtslericon.
Die Urkunde.
Wenden wir uns nun zu dem Inhalte der vorliegenden Rechts-
quelle, so finden wir, daß derselbe, abgesehen von dem, was fich auf
die städtische Verfassung und Verwaltung bezieht, vorzüglich in privat-
rechtlichen, strafrechtlichen und das gerichtliche Verfahren betreffenden
Bestimmungen besteht. Die auf das Letztere Bezug habenden Vor-
schriften dürften als die wichtigsten und interessantesten erscheinen,
und dies zwar deßhalb, weil, obgleich an den Principien des deutschen
Gerichtsverfahrens z. B. hinsichtlich des Beweises festgehalten wird,
doch auch sehr Vieles aus dem damals sich neugestaltenden Pro-
zesse ausgenommen ist, überhaupt die Bestimmungen über das
Rechtsverfahrcn weit ausführlicher sind, als die in den deutschen
Rechtsbüchern gegebenen. Sehr lehrreich für die Geschichte des
Prozesses ist auch das vierte Buch der, von dem römischen Rechts-
gelehrten Goczius von Orvieto bearbeiteten, Kuttenberger
Bergordnung Wenzel II. von 1300. Das Rechtsverfahren,
namentlich aber die Lehre vom Beweis, trägt wesentlich zur
vollständigen Erkenntniß der einzelnen Rechtsinstitute des deutschen
Privatrechtes der früheren Zeit bei, was fast allgemein übersehen
wird. Wir haben früher schon einmal anderwärts darauf hinge-
wiesen, daß, wie nach römischem Rechte zur Darstellung einer Lehre
die Berücksichtigung der besonderen aeiio 6te. gehört, ebenso nach
deutschem Rechte die Angabe, was hinsichtlich des Beweises bei
den einzelnen Instituten Rechtens sei, erforderlich erscheine. So
tritt die lange verkannte eigenthümliche Natur des verdienten
Gutes und Lohnes, im Gegensatz zu der gewöhnlichen Schuld,
die der Beklagte abschwören kann, zunächst dadurch hervor, daß
/enes der Klagende, z. B. das Gesinde den Gesindelohn, auf sei-
nen Eid behält.
Ohne uns hier auf diesen Gegenstand, sowie überhaupt auf
das, was unsere Sammlung über gerichtliches Verfahren und Be-
weis im Allgemeinen enthält, weiter einzulassen, machen wir zu-
nächst auf das, was sich aus ihr in Betreff der Urkunde als
Beweismittel ergiebt, aufmerksam.