Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 9 (1845))

Ueberhangs- und Ueberfallsrecht. 317
csedendk, gegeben ist. So wenig nun der Besitzer eines Grund-
stückes ohne Weiteres die von einem fremden Boden herüberhängen-
den Aeste sich aneignen kann, eben so wenig darf er die Wurzeln,
welche des Nachbarn Baum in seinem Gebiete hat, abstechen; son-
dern auch hier mliß er zu bewirken suchen, daß dieser selbst sie weg-
nehme, und erst dann, wenn diese Bemühung vergeblich war, mag
er sich selbst helfen 17). Hinsichtlich des Ueberfalls von Baum-
früchten will das justinianische Recht, daß solche dadurch allein nicht
das Eigenthum verändern. Der Nachbar muß vielmehr dulden,
daß der Inhaber des Hauptstammes auf sein Grundstück komme, um
diese Früchte einzusammeln. Jedoch findet nach dem prätorischen
Edict hierbei insofern eine Beschränkung statt, als der Nachbar sich
das Betreten seines Grundstückes zu diesem Zweck nicht jeden Augen-
blick braucht gefallen zu lassen, sondern nur je am dritten Tag (ler-
tio quoque die l8). Zur Ausübung dieses seines Rechtes steht dem
Herrn des Hauptstammes ein eigenes Interdikt zu, welches nach
der Überschrift des Pandectentitels, der von ihm handelt, de glande
legenda genannt zu werden pflegt.
Diese römischem Vorschriften sind nun freilich keineswegs heut-
zutage durchaus unpraktisch, sondern sie sind gleich dem größten
Theil des justinianischen Privatrechts in Deutschland recipirt wor-
den; doch ist auch auf der anderen Seite kein Grund vorhanden
anzunehmen, daß diese keineswegs absoluten'Grundsätze eine beson-
dere, vorzüglichere Geltung, als die übrigen Bestandtheile der Re-
ception haben sollten. Da nun aber die fremden Rechte in Deutsch-
land bekanntlich nur als subsidiäre Normen ausgenommen worden
sind, so muß nach der Parömie: „Willkühr bricht Stadtrecht, Stadt-
recht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht" das deutsche
Ueberhangs- und Ueberfallsrecht, wo es sich als Gesetz oder als
Gewohnheit erhalten hat, den römischen Bestimmungen Vorgehen.
Einen Grund, weshalb aber derjenige, welcher sich auf solche Local-
gesetze oder Gewohnheiten stützt, deren Dasein in der Regel nach-

17) I. 1. 6. de interd. (7, 1).
18) L. un. D. de glande legenda (43, 28). Bekanntlich herrscht über
die Bedeutung dieser Worte Streit, ob nämlich damit jeder dritte
Tag oder ob ein Tag über den anderen gemeint sei. S. Thiban t
civ. Abh. S. r. f.

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