Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 9 (1845))

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Ueber Zweikampf und Ehrengerichte.
aber für jeden einzelnen Fall und in seiner jedesmaligen eigenthüm-
lichen Gestaltung objektiv gewiß gemacht werden muß. Dieß ist
gar nicht möglich oder doch viel schwerer, wenn er eine vorge-
faßte Meinung darüber schon in die Gerichtshalle mitbringt.
Standesgenossen werden sich, eben weil sie dieß sind, nicht leicht
über das Vorurtheil zu stellen wissen, über das sie entscheiden
sollen, sie werden selbst von ihm befangen, ihr Gesichtskreis wird
von ihm umbaut und beschränkt sein, sie werden dieß Vorurtheil
selbst an die Stelle der Gerechtigkeit setzen und dadurch, statt ihm
entgegenzuwirken, es befestigen.
Gerichte aus Standesgenossen werden aber auch unvermeidlich
zu einer Zerklüftung der verschiedenen Stände führen, welche in
Bezug auf die Begriffe von Ehre und Gehorsam gegen das Gesetz
ohne die größte Gefahr nicht weiter geführt, nicht mehr befestigt
werden kann, als sie es leider schon ist.
Es werden Gerichte aus Adeligen ihrem Standesgenossen den
Zweikampf leicht auch Ln solchen Fällen Nachsehen, wo nur über-
triebene Empfindlichkeit ihn veranlaßt hat, sie werden den übertrie-
benen gefährlichen Zweikampf in Schutz nehmen, um vor Andern
Ständen etwas voraus zu haben, während Handels - und Gewerbs-
leute in vorgerücktem Lebensalter, ihren schwunghaftesten Lehrlingen
kein Duell nachzusehen geneigt sein werden.
Endlich würde die Absonderung und Begränzung der Stände
fast unübersteigliche Schwierigkeiten darbieten. Der Kriegsstand
allein, der ohnehin fast überall nur von Standesgenoffen gerichtet
wird und deßwegen hier nicht weiter zur Sprache kommt, ist scharf
begränzt. Nicht so der Adel, oder sollte der adelige Staatsdiener
als Edelmann unter einem anderen Ehrengesetze stehn, als sein bür-
gerlicher Vorgesetzter? und sollten Studenten, welche doch wohl nur
in wenigen und selten rühmlichen Ausnahmen das Alter erreicht
haben, welches allerwärts für das Richteramt erfordert wird, Recht
sprechen dürfen über Ehre und Leben Andrer?
Standes-Ansichten, Standes-Urtheile und Vorurtheile müssen
zurücktreten vor der Stimme der Gerechtigkeit, welche in einer un-
verbildeten, sich selbst bewußten öffentlichen Meinung laut wird.
Der gerechte und vernünftige Mann, welchem Stande'er auch
angehören mag, wird fähig sein, wenn ihm die Verhältnisse des
Angeschuldigten glaubhaft und deutlich dargelegt werden, sich in

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