Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 1 (1839))

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Reyscher:

kann behaupten, daß alle Lehrsätze der Pandecten gemeinrechtlich
in Deutschland seyen. Wo ist nun aber die Grenze des gemeinen
Rechts auch in dieser Beziehung, und in wiefern läßt sich über-
haupt von einem gemeinen Rechte in Deutschland reden?
Damit, daß wir dem römischen Rechte, wie dem s. g. deut-
schen Rechte nur subsidiäre Anwendbarkeit geben, ist diese
Frage nicht gelöst, nicht einmal umgangen; denn auch die bedingt
anwendbare Regel setzt einen Grund ihrer Verbindlichkeit voraus,
die gemeinrechtliche Regel eine gemeinrechtliche Verbindlichkeit.
Selbst die Frage über bedingte oder unbedingte Anwend-
barkeit des gemeinen Rechts ist daher nicht geradezu zu bejahen
oder zu verneinen, vielmehr zwischen einem formell und mate-
riell gemeinen Rechte zu unterscheiden, indem ein Theil der ge-
meinen Rechtsquellen allerdings die Vermuthung der Anwendbar-
keit für sich hat, während bei einem anderen, und zwar dem
größeren Theile, dieß nicht der Fall ist. Diese Unterscheidung ist
dann auch noch besonders wichtig für die Methode des deut-
schen Rechts, worüber immer noch großer Meinungs-Zwiespalt
herrscht, eben weil von einer verschiedenen Ansicht über die Na-
tur des gemeinen Rechts ausgegangen wird.
Indem ich im Folgenden eine genaue Prüfung des Daseyns
und der Natur des deutschen Rechts unternehme, glaubte ich hier-
nach das ganze practische gemeine Recht (öffentliches wie Privat-
recht, römisches und deutsches Recht) in's Auge fassen zu müssen,
und es sollte dadurch zugleich einem künftigen Aufsatze über die
wissenschaftliche Behandlung dieses Rechts vorgearbeitet werden,
worin erst die Spitze der Arbeit und deren practische Richtung zu
erkennen seyn dürfte. Das Thema der Arbeit stellt sich nun aber
allerdings so, wie es oben bezeichnet worden; denn nicht blos die
Natur, sondern auch das Da seyn eines gemeinen Rechts ist
in Frage, da, je nachdem man die erstere bestimmt, auch das
Letztere zu läugnen ist oder doch werthlos wird.

Das Daseyn eines formell (gesetzlich, authentisch) gemei-
nen Rechts von ähnlichem Umfange in Deutschland behaupten zu
wollen, wie das oströmische Reich in den Justinianischen Rechts-
büchern eines hatte, Frankreich in den Napoleonischen Gesetzbü-

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