478 • Familienstistuiig.
Das Berufungsgericht verneint das Bestehen eines solchen Anspruchs für
den vorliegenden Fall. Unter Berufung auf das von ihm angeführte Urtheil des
Reichsgerichts vom 11. Februar 1882 (Entsch. IX S. 206) läßt es die Mög-
lichkeit zu, daß die Personen, zu deren Gunsten eine Stiftung errichtet ist, einen
klagbaren Anspruch auf Gewährung ihres Antheils an den Nutzungen der Stiftung
haben, aber nur für den Fall, daß die Bestimmungen der Stiftungsakte dem
Einzelnen die Grundlage für einen privatrechtlichen Titel geben. Diese Grund-
lage, so wird ausgesührt, könne gegeben sein, wenn der Stifter die Theilnehmer
an den Stiftungsvortheilen individuell genau bestimmt habe, oder wenn ein be-
stimmter Personenkreis, dessen Begrenzung objektiv feststehe, bedacht sei. Sie fehle
aber, wenn die Berechtigung nach der Stiftungsakte von einer Auswahl aus einem
bestimmten oder unbestimmten Personenkreise abhängig gemacht sei, die den vom
Stifter bezeichneten Personen übertragen sei. Das letztere treffe hier zu, wo der
Stifter die Auswahl der Berechtigten, d. h. im vorliegenden Falle die Entscheidung
der Frage, ob ein Familienmitglied unterstützungsbedürftig oder in eine mißliche
Lage gekommen sei, den Verwaltern der Stiftung übertragen habe. Das Individual-
recht des Einzelnen sei hier bedingt durch die Auswahl von Seiten der Verwalter.
Es heiße dem Willen des Stifters Gewalt anthun und den Inhalt der Stiftung
in einem wesentlichen Punkte ändern, wenn das Gericht an Stelle der Verwalter
das diesem übertragene Ermessen bezüglich der Entscheidung über die Bedürftigkeit
und über den Umfang der Unterstützung ausüben sollte.
Die Rechtsgrundsätze, von denen das Berufungsgericht hier ausgeht, sind
richtig, wenn auch ihre Fassung im Einzelnen zu beanstanden sein mag. Die
Frage, ob einer einzelnen Person ein klagbarer Anspruch auf Theilnahme an den
Nutzungen einer Stiftung zusteht, kann nur auf der Grundlage des in der
Stiftungsurkunde erklärten Willens des Stifters beantwortet werden. Hat dieser
bereits bestimmt, wann der Einzelne aus den Einkünften der Stiftung etwas er-
halten soll und wieviel, und ist darum für eine Entscheidung der Verwaltung der
Stiftung über diese Fragen kein Raum mehr, so hat die Verwaltung einfach den
bereits erklärten Willen des Stifters auszuführen und, falls sie dem zuwider-
handelt, kann der Bedachte sie durch Klage zur Erfüllung ihrer Pflicht anhalten,
ebenso wie ein direktes Vermächtniß vom Vermächtnißnehmer eingeklagt werden
kann. Anders aber liegt die Sache, wenn die Berechtigung des Einzelnen von
Voraussetzungen abhängig gemacht ist, die nicht objektiv und unabänderlich sest-
stehen, über deren Vorhandensein vielmehr eine nach Maßgabe der tatsächlichen
Verhältnisse des Einzelsalls zu treffende Entscheidung abzugeben ist. Die, vom
Stifter noch nicht im Voraus abgegebene Entscheidung ist der von ihm bestellten
Verwaltung übertragen, diese handelt daher innerhalb ihrer, aus der Stiftungsakte
sich ergebenden Zuständigkeit, wenn sie über das Vorhandensein der statuten-
mäßigen Voraussetzungen für die Gewährung einer Unterstützung entscheidet. Diese
auf dem Willen des Stifters beruhende Verwaltungshandlung kann von dem, der .