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Eger, Die Haftpflicht der Eisenbahn für Versäumung der Lieferfrist.
gefordert werden, sondern es ist der Schaden in Gemäßheit des 8 86 (d. i. der
volle Schaden) nach Existenz und Höhe darzuthun. Die Höhe des zu leistenden
Ersatzes bestimmt sich somit durch die Höhe des nachgewiesenen Schadens mit der
Maßgabe, daß der deklarirte Betrag des Interesses — der den normalen Ersatz
übersteigende Mehrbetrag — die Maximalgrenze der zu leistenden Entschädigung
bildet. Ueber diesen Betrag darf, gleichviel auf wie hoch sich der nachgewiesene
Schaden beläuft und wenn er auch den Normalersatz zuzüglich des dcklarirten
Betrages übersteigt, nicht hinausgegangen werden.
B. Neu hinzugefügt ist die Vorschrift (§ 87 Abs. 2), daß, wenn die Eisen-
bahn beweist, daß kein Schaden entstanden ist, keine Vergütung geleistet zu
werden braucht. Diese Bestimmung ist aber — wie bereits oben S. 214 aus,
geführt — nichtig, weil sie der Absicht und dem Wortlaute des § 466 Abs. 2
und 6 des neuen Handelsgesetzbuchs bezw. des diesem zu Grunde liegenden
Art. 40 des Internationalen Uebereinkommens widerspricht und die bezügliche
Schadensersatzpflicht der Eisenbahn beschränkt, mithin gegen § 471 des neuen
Handelsgesetzbuchs verstößt. Denn es ist an der allegirten früheren Stelle er-
örtert worden, daß aus Gründen der Zweckmäßigkeit und des Verkehrsinteresses
die dem Art. 40 des Internationalen Uebereinkommens entnommenen Bestim-
mungen des 8 87 Abs. 1 Ziff. I 1 und Ziff. II 1 der Verkehrsordnung nicht
eine bloße Bermuthung, sondern eine Rechtsfiktion enthalten und daher einen
Gegenbeweis der Eisenbahn in Betreff der Existenz und Höhe des Schadens aus-
schließen. Der § 466 Abs. 3 des neuen Handelsgesetzbuchs überläßt der Eisen-
bahnverkehrsordnung lediglich die positive Bestimmung der Vergütungsbeträge
(Normalsätze), welche ohne den Nachweis eines Schadens zu gewähren sind,
keineswegs aber auch die negative Bestimmung des Wegfalls der Vergütung
im Falle des Gegenbeweises der Eisenbahn. Mit letzterer Bestimmung hat daher
die Verkehrsordnung zu Gunsten der Eisenbahnen die ihr durch § 466 Abs. 3
des neuen Handelsgesetzbuchs gegebene Ermächtigung überschritten und sich mit
§ 471 Abs. 11. c. in Widerspruch gesetzt.
Im Uebrigen erscheint die Vorschrift des Abs. 2 des § 87 deshalb von
sehr geringer Bedeutung, weil es in den bei weitem meisten Fällen für die Eisen-
bahn unmöglich sein wird, diesen Gegenbeweis zu erbringen oder auch nur anzu-
treten. Auch darf — wenn man selbst die Bestimmung des Abs. 2 als rechts-
gültig annehmen wollte — der Gegenbeweis sich nur auf die Nichtexistenz des
Schadens überhaupt, nicht etwa auch daraus richten, daß der wirklich entstandene
Schaden geringer ist, als der ohne Schadensnachweis zu ersetzende Theil der Fracht.
Denn das ist jedenfalls aus Art. 39, 40 des Internationalen Uebereinkommens,
bezw. § 466 des neuen Handelsgesetzbuchs nicht zu folgern; die Entschädigungs-
leistung ist durch ß 466 des neuen Handelsgesetzbuchs, 8 87 Abs. 1 Ziff. 11,
Ziff. I11 unbedingt festgelegt. Sie tritt von selbst als Rechtswirkung der Voraus-
setzung der Haftpflicht ein.