Kretzschmar, Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken. 191
Würde; an die durch den Widerspruch oder die Vormerkung geschützte Person
aber kann ebenfalls nichts gezahlt werden, weil ihre Ansprüche noch nicht fest-
gestellt sind. Erfolgt noch während des Versteigerungsversahrens die endgültige
Feststellung der Ansprüche, so bedarf es selbstverständlich der Hinterlegung nicht,
sondern der Ueberrest des Versteigerungserlöses ist, je nachdem der Anspruch durch-
gedrungen oder zurückgewiesen ist, aus die durch den Widerspruch oder die Vor-
merkung geschützte Person oder aber auf die nachfolgenden Berechtigten zu vertheilen.
Wird die Zwangsversteigerung wegen einer überhaupt nicht oder doch erst
nach Verlautbarung des Widerspruchs oder der Vormerkung eingetragenen voll-
streckbaren Forderung beantragt, so erhebt sich die Frage, ob nicht das Voll-
streckungsgericht den Antrag abzulehnen oder, wenn ihm die Eintragung des
Rechtsbehelfs erst später bekannt wird, nach § 28 des Zwangsversteigerungsgesetzes
das Verfahren aufzuheben hat.
An sich würde es nicht ausgeschlossen sein, daß das Grundstück trotz des
Widerspruchs oder der Vormerkung wegen eines persönlichen Anspruchs oder auf
Grund eines nachstehenden und deshalb unwirksamen Rechtes versteigert wird.
Da der Widerspruch und die Vormerkung durch die Zwangsvollstreckung nicht
berührt werden, wäre die Gestaltung des Verfahrens die, daß das Bestehenbleiben
des Widerspruchs oder der Vormerkung als Versteigerungsbedingung gestellt werden
müßte. Derjenige, der durch den Rechtsbehels geschützt ist, würde infolgedessen
seinen Anspruch auch gegen den Ersteher des Grundstücks verfolgen können.
Könnte unter solchen Umständen der Erwerb nur ein durchaus unsicheres Recht
gewähren, so würde sich kaum ein Ersteher finden und jedenfalls wäre ein an-
gemessenes, die Interessen des Schuldners wahrendes Interesse nicht zu erzielen.
Mit Rücksicht hierauf ist in § 772 der Civilprozeßordnung bestimmt, daß, solange
ein Veräußerungsverbot der in §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeich-
neten Art besteht, der Gegenstand, auf welchen es sich bezieht, wegen eines persön-
lichen Anspruchs oder auf Grund eines infolge des Verbots unwirksamen Rechts
nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert werden soll. Auf Grund des
Verbots kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erhoben werden. Das
Veräußerungsverbot begründet also ein der Zwangsversteigerung entgegenstehendes
Recht im Sinne des § 28 des Zwangsversteigerungsgesetzes. Dieses Recht geht
durch den Zuschlag verloren (Zw.V.G. § 37 Ziff. 5). Ist ein Veräußerungsverbot
eingetragen, so muß das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung aufheben.
Wenn der § 772 der Civilprozeßordnung als Soll-Vorschrift gefaßt ist, so ver-
hält es sich gerade so, wie mit den Soll-Vorschriften der Grundbuchordnung.
Die Vorschriften sind in der Form von Ordnungsvorschriften ertheilt, weil sie
nicht die Ungiltigkeit des ihnen zuwider vorgenommenen Aktes zur Folge haben,,
sie sind aber in der Weise für den Richter bindend, daß er durch ihre Nicht-
. beachtung den Staat für den entstandenen Schaden haftbar und sich selbst regreß-
pflichtig macht. Die Nichtbeachtung der Vorschrift des § 772 der Civilprozeßordnung