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Schanze, Die Patentertheilung. -
Die Patentertheilung nach dem neuen österreichischen Patentgesetze?)
Es empfiehlt sich indeß, nicht nur das Prüfungsverfahren, sondern auch
die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Patentertheilung in Berücksichtigung
zu ziehen; auch insoweit hat sich das neue österreichische Gesetz dem deutschen Rechte
in allen wesentlichen Punkten angeschlossen.
Damit zerfällt der Stoff, für dessen Betrachtung ich Ihre Aufmerksamkeit
in Anspruch nehmen möchte, in drei Theile; es handelt sich um die Fragen:
was ist patentfähig?
wer ist schutzberechtigt?
wie gestaltet sich das Verfahren?
I.
An erster Stelle gilt es zu untersuchen: was wird patentirt?
Unter dem Schutze- des Gesetzes — heißt es in § 1 — „stehen neue Er-
findungen, welche eine gewerbliche Anwendung zulassen".
Das Gesetz sagt: Erfindungen sind patentfähig. Was unter einer Er-
findung zu verstehen sei, darüber schweigt das Gesetz und es thut Recht daran,
daß es sich einfach mit dem Begriffe begnügt, wie ihn der allgemeine Sprach-
gebrauch darbietet. Aufgabe der Theorie und Praxis ist es, des Näheren die
Merkmale anzugeben, die den Dingen zukommen, welche unter dem Worte Er-
findung zusammengefaßt werden.
Haben Wissenschaft und Rechtsprechung diese Aufgabe gelöst? Ich glaube nicht,
daß Jemand diese Frage bejahen möchte. Die Begründung der österreichischen
Regierungsvorlage führt nicht weniger als 13 Definitionen der Erfindung auf,
aber keine von ihnen hat Anerkennung gefunden.
Dieser Zustand ist unerfreulich und darf nicht fortdauern. Im deutschen
Reiche wird allein seitens der Anmeldeabthcilungen jährlich 15000 Mal die Frage,
ob eine Erfindung vorliege, entschieden. Da lohnt es doch wahrhaftig der Mühe
zu wissen, was eine Erfindung ist. Nicht nur in den industriellen Kreisen wird
der Mangel einer Definition des Erfindungsbegriffs und die damit verknüpfte
Unsicherheit der patcntrechtlichen Praxis beklagt. Auch die Juristen sangen an, die
Bedeutung des Erfindungsbegriffs nnd die Nothwendigkeit seiner Feststellung zu
betonen. Professor Bekker in Heidelberg erklärt rund heraus: „So lange der
Begriff der Erfindung ohne feste Form und Grenze, b, h. in Wirklichkeit kein
Begriff ist, wird das Bemühen, ein brauchbares Recht der Erfindungen sestzu-
stellen, allzeit vergeblich sein."
An Versuchen hat es, wie die große Zahl der aufgestelllen Definitionen
beweist, nicht gefehlt. Weshalb haben sie nicht zum Ziele geführt?
Die Fixirung eines Begriffes-setzt immer Zweierlei voraus: einmal die
*) Vom 11. Januar 1897; es tritt spätestens am 1. Januar 1999 in Kraft.