Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 11 (1847))

Ueber Gewissensfreiheit. 199
bahnen sollte^). Wenn die Juden durch Nichtgleichstellung mit den
christlichen Staatsgenoffen, auf die Vorzüge des Christenthums hin-
gewiesen werden sollten und könnten, so wären Beschränkung des
Gewerbes, Einschließung in Judenstraßen, Leibzoll, wohl auch ein
Judenhut oder sonstige Abzeichen, weit kräftigere und eindringlichere
Mittel. Die Erfahrung hat aber sattsam gelehrt, daß da, wo die
rechtlichen und geselligen Schranken zwischen Juden und Christen
gefallen sind, die meisten Bekehrungen und Uebertrittc stattfinden.
Es bedarf keiner andern Missionen unter die Juden, als rechtliche
Gleichstellung; nur Absonderung, Druck, hat die religiös -nationelle
Fortdauer des Judenthums in unser» Staaten bewirkt, und hat
allerdings mancher Orten die Juden zu einer Last des Staates ge-
macht. Die Staaten und die Völker haben altes Unrechtzu sühnen!

§. 10.
Vollkommene Gewissensfreiheit findet nur statt, wo der Genuß
bürgerlicher und politischer Rechte nicht von dem religiösen Bekennt-
niß abhängt; die Nichtentziehung solcher Rechte um des Glaubens
willen ist gleichsam die negative Seite derselben. Sie offenbart sich
aber eigentlich in der freien und unbeschränkten Religionsübung,
welche das wesentlichste positive Erforderniß derselben ausmacht,
daher man denn auch wohl oftmals unter Gewissensfreiheit vor-
zugsweise „das Recht, seine Religion auszuüben, Gott in der, den
religiösen Vorstellungen und Lehren angemessenen Weise zu vereh-
ren," zu verstehen pflegt.
In der Verkümmerung der freien Religionsübung, wo deren
völlige Verhinderung nicht mehr möglich war, hat sich die Unduld-
samkeit früherer Jahrhunderte wahrhaft erfinderisch erwiesen. Man
hatte bereits im westphälischen Frieden drei Grade derselben an-
genommen: öffentlichen Gottesdienst, Privat-Gottesdienst, und die
Hausandacht. Die evangelischen Stände hatten zwar nur von
zwei Arten (öffentlichem und Privatgottesdienft) etwas wissen wollen,
da aber die katholischen ihren protestantischen Unterthanen, welche
weder durch das Entscheidungsfahr noch durch Verträge gesichert
waren, keinen Privatgottesdienft gewähren wollten, so hat, wie
I. I. Moser bemerkt 8t): „die Roth, die fruchtbare Mutter der
80) Stahl a. a. O. S. 288.
81) J. J. Moser: de exercit, rel. dornest, h. 15.

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