6 Mel ly, Die Uebersendungspflicht des Verkäufers und ihre Wirkungen.
welche für die Abwicklung von Handelsgeschäften zwischen Verkäufer und Käufer
die Regel zu bilden haben.
Als Regel treten nun die Rechtssätze hervor
1. daß der Verpflichtete an dem Orte zu erfüllen hat, an welchem er zur Zeit
des Vertragsabschlusses seine Handelsniederlassung oder in deren Ermangelung
seinen Wohnort hatte;
2. daß die Uebergabe der Waare an dem Orte geschieht, wo der Verkäufer
zur Zeit des Vertragsabschlusses seine Handelsniederlassung oder in deren
Ermangelung seinen Wohnort hatte.
Diese Bestimmungen, von denen die erstere auf. beide Kontrahenten, letztere
nur auf den Verkäufer, dessen rechtliche Stellung hier hauptsächlich besprochen
werden soll, sich beziehen, sind in ihrer Allgemeinheit auf jede Art von Handels-
geschäften insbesondere auf Käufe anwendbar. Namentlich wird zwischen Geschäften
inter xräsentes und inter absente#, zwischen sogenannten Platz- und Distanzge-
schäften hier nicht unterschieden und es muß daher von vorn herein die Auffassung
abgelehnt werden, daß bei Geschäften letzterer Art insbesondere siir die Erfüllungs-
pflicht des Verkäufers etwas Anderes gelte, oder die Absicht der Kontrahenten
auf etwas Anderes gerichtet sein müsse, als das Gesetz vorschreibt. Wäre dem
so, hätte es im Sinne des Gesetzgebers gelegen, für die ganze Kategorie der als
Distanzgeschäste austretenden Handelskäufe und Verkäufe dieser ihrer Natur halber
hinsichtlich des Erfüllungs- und Uebergabeorts abweichende Grundsätze aufzustellen,
so wäre dies sicher zum Ausdruck gekommen. So aber hat das Gesetz, wenn es
die Natur des Geschäfts und den hieraus erkennbaren Parteiwillen als event.
Voraussetzung für einen andern modus der Vertragserfüllung als den gesetzlich
vorgeschricbenen gelten läßt, offenbar eine besondere Natur im Auge, deren
.Eigenart durch die Gestaltung des Rechtsverhältnisses selbst (Entsch. des Reichs-
gerichts Bd. XII S. 36), nicht aber durch begleitende äußere Umstände und
namentlich nicht durch die gewöhnliche Form des Handelsverkehres unter Abwesen-
den bedingt wird.
Diese Form vollzieht sich bei Lieferungskäufen durch Uebersendung der
Waare und zwar in den meisten Fällen vom Orte der Handelsniederlassung des
Verkäufers an diejenige (oder den Wohnort) des Käufers. Es kann nun, auch
ohne Verabredung der Kontrahenten, als allgemeine Verkehrssitte mithin als
Handelsbrauch gelten und daher der Käufer ohne Weiteres erwarten, daß der
Verkäufer die Veranstaltungen trifft, damit er, der Käufer, in den Besitz der
Waare gelangt. Insofern muß eine allgemeine Pflicht des Verkäufers anerkannt
werden, die Waare dem an einem andern Orte befindlichen Käufer zu übersen-
den. Diese Pflicht ist freilich für den Verkäufer nicht ohne schwerwiegende Folgen;
namentlich bürdet sie ihm auch bei Zug um Zugleistung die Vorleistung auf,
mittelst deren er sich der Waare ohne gleichzeitigen Empfang der Gegenleistung
entäußert. Darum muß auch jene Pflicht ihre Grenze haben. So kann z. B.