Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 5 (1895))

20 Zu §§ IO, 292, 19 des B.G.B.'s. Eigenthumsvorbehalt nach Preuß. L.R.
das Präsens eines Zeitwortes auch in Fällen gebraucht zu werden, in denen es
sich um der Vergangenheit angehörige Thatsachen oder Zustände handelt. In
dieser Weise ist z. B. das Wort „befinden" sowohl von dem ehemaligen Reichs-
oberhandelsgerichte — zu vgl. die Entscheidungen desselben Band XI Seite 24 —
als auch Seiten des Reichsgerichts — zu vgl. die Entscheidungen desselben in Civil-
sachen Band XI Seite 55 und Bolze, die Praxis des Reichsgerichts in Civil-
sachen Band VIII Seite 4 Nr. 15 — angewendet worden. Weiter aber erscheint
auch nicht ausgeschlossen, daß nur das Präsens „liegen" deshalb in § 10 Auf-
nahme gefunden hat, weil der Gesetzgeber es für genügend erachtete, den regel-
mäßigen Fall zu entscheiden, dagegen auf die sonst noch denkbaren Fälle einzugehen
mit Rücksicht darauf Bedenken trug, daß dies zu einer zu großen, nach Befinden
nicht einmal erschöpfenden Kasuistik geführt haben würde.
Es hat denn auch das vormalige Oberhandelsgericht — zu vgl. dessen
Entscheidungen Band VI Seite 80 slg. — sich ausdrücklich dahin ausgesprochen,
daß für die Anwendung des § 10 des B.G.B.'s keineswegs allein der Ort
maaßgebend sei, an welchem die Sache zur Zeit der richterlichen Entscheidung liegt,
sondern daß auch nach Sächsischem Rechte Rechtsakte, welche früher an Orten, wo
die Sache gleichfalls gelegen, in Uebereinstimmung mit der dortigen lex rei sitae
vollzogen worden, als bestehend anzusehen seien, — zu vgl. auch noch die näm-
lichen Entscheidungen Band XI. Seite 24, — und dieser in der einschlagenden
Litteratur ebenfalls vertretenen Ansicht,
— zu vgl. Siebenhaar, Kommentar z. B.G.B. Band I Seite 34 und
49 der 2. Aust, und Lehrbuch Seite 38; Grützmann a. a. O.; Müller,
das Sächsische Privatrecht Seite 38. —
mit welcher übrigens auch die in den Annalen des Oberlandesgerichts
Band VI Seite 341 flg. (vgl. bes. S. 344) mitgetheilte Entscheidung des ersten
Senates dieses Gerichtshofes im Einklänge steht, hat sich das Berufungsgericht auf
Grund der obigen Erwägungen anschließen zu müssen geglaubt.
Wie aus dem Vorstehenden erhellt, ist die Frage, ob der Vertrag, welchen
der Kläger über das streitige Pianino mit V. eingegangen ist, dazu geführt hat,
daß das Eigenthum an dem Pianino auf V. übertragen wurde, .an sich nach dem
Rechte des Ortes zu eutscheiden, an welchem dasselbe zur Zeit des Vertragsab-
schlusses sich befunden hat, und würde eine andere Annahme blos dann geboten
sein, wenn etwa von den Voraussetzungen des § 19 des B.G.B.'s die eine oder
andere vorliegen sollte. Das Letztere ist indeß nicht der Fall. Denn es läßt sich
füglich nicht sagen, daß der Gesetzgeber mit der Bestimmung in § 292 Abs. 1
des B.G.B.'s auch Eigenthumsvorbehalte habe treffen wollen, welche in Bezug
auf im Auslande gelegene Sachen gemacht, werden sollten.
Zu der Zeit, wo der in Rede stehende Vertrag zum Abschlüsse gelangt ist,
hat das Pianino in Görlitz gestanden, während es sich freilich gegenwärtig in E. be-
findet. Rach der eigenen Darstellung des Klägers ebenso wie nach den Aus-

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