Der Verfaffungsstreit in Kurheffen. 13
teLischen Justiz Sorge zu tragen. Schon im Jahre 1509, wäh-
rend der Minderjährigkeit des Landgrafen Philipp des Großmüthi-
gen, thaten Prälaten, Ritter und Städte von Hessen, durch die in
dem Rechtszustande eingeriffenen Mißbräuche veranlaßt, sich zu einer,
dessen Wiederherstellung bezweckenden „rechtmäßigen Vereinigung und
Freundschaft" zusammen. Diese Einung wurde im Jahre 1514
erneuert und von der regierenden Landgräfin bestätigt. Der solcher-
gestalt feflgestellten ersten urkundlichen Garantie des Rechtszustandes
in Hessen entspricht denn auch die Handhabung der Justiz und die
hohe Achtung vor derselben in den folgenden Jahrhunderten. Ein
glänzendes Zeugniß hiervon enthält unter Anderm die hessische Ge-
setzsammlung in dem Edikte vom 26. November 1743, welches
Landgraf Friedrich I. (König von Schweden) bei der Erlangung
des Privilegiums ä6 non appellando zum Schutze einer völlig un-
parteiischen und unabhängigen Rechtspflege erließ. In den kernigen
Worten dieses Edikts spricht der Landesfürst aus: er wolle die Mit-
glieder des Oberapellationsgerichts in Sachen, welche das landes-
herrliche Interesse betreffen, „der auf Respicirung unseres Besten
geleisteten Pflicht und Verbindung erlassen und sie wie überall also
auch in solchen uns oder die Unserigen angehenden Sachen bei Ver-
waltung ihres Amtes auf nichts als Gott den Allmächtigen und eine
ganz unparteiische reine Justiz, worauf sie ihren Eid abgelegt und
geschworen, ein für allemal gebunden und verwiesen haben, inmaßen
dann-der Justiz ihr stracker Lauf gelassen und eine dawider
ausgewirkte Verordnung nicht anders als erschlichen oder aus Irr-
thum und Mißverstand ertheilt angesehen, und deren ungehindert
im geraden Wege weiter procediret, mithin keine Sache, welche in
die Justiz einschlägt und ihrer Eigenschaft nach durch einen Spruch
Rechtens zu erörtern ist, anderswohin, als vor die ordentlich hierzu
bestellten Iustizkollegia gezogen, und alles Andere, was dagegen ge-
schieht, als ungültig, null und nichtig betrachtet und jetzt und zu
ewigen Zeiten davor erkannt und erklärt sein soll." (
Im Jahre 1806 vernichtete die Besetzung Kurhessens durch die
Franzosen die althergebrachte Landesverfassung. Kurfürst Wilhelm I.
verließ sein Land, indem er den gesammelten Schatz mit sich führte.
Die von der Fremdherrschaft mitgebrachten Institutionen eines freieren
Staatslebens : Gleichheit vor dem Gesetze, neue Gesetzbücher, münd-
liche und öffentliche Rechtspflege, Trennung derselben von der