du Chesne, Der dingliche Anspruch nach dem D. B.G.B.
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in Natur unmöglich war; dieser Anspruch ist im neuen Rechte von der Negatorien-
klage abgetrennt und unter die obligatorischen Ansprüche der §§ 823 flg. B.G.B.
verwiesen. -
Alle die erwähnten dinglichen Ansprüche sind aber im Wesentlichen gleich
den Ansprüchen aus allen sog. „absoluten Rechten", nur daß diese vielfach keine
civilistische Ausbildung erfahren haben. So sind schon die wichtigeren Seiten des
Eigenthums öffentlichrechtlich geschützt. Der vorher gefundene Imperativ des
Rechts an jedermann: Du darfst nicht in das Eigenthum eingreifen, hat straf-
rechtlich seine weitere Ausbildung gefunden im Verbot des Diebstahls, der Unter-
schlagung, der Sachbeschädigung rc. Dagegen ist der Wiederherstellungsanspruch
als der minder wichtige und verzichtbare wieder dem Civilrechte überlassen geblieben
(actio furti, condictio furtiva, actio legis Aquiliae rc.). Die Strafe, die noch
im sächsischen Rechte der Richter für weitere Störungen des Eigenthums festsetzte,
setzt hier das öffentliche Recht von vornherein fest. Die Wiederherstellung in
Natur oder durch Geldzahlung, die die Vindikation und Negatorienklage noch im
sächsischen Rechte dinglich durchführtcn, ist bei den öffentlichrechtlich geschützten
Seiten des Eigenthums eine obligatorische Verpflichtung geworden. Analog liegt
es bei den Ansprüchen auf Unterlassung von Angriffen auf Freiheit (Sachsenbuße),
Ehre (actio iniuriarum im engeren Sinne, Bußanspruch), Gesundheit, Leben
(actio legis Aquiliae), kurz bei allen Angriffen auf die rechtlich geschützten Seiten
des „Willens zum Leben", die sog. absoluten Rechte. Bei ihnen allen,'einschließ-
lich des Eigenthums, ist vorhanden der (civil- oder strafrechtliche) Imperativ der
Rechtsordnung an jedermann: Du sollst sie nicht verletzen, und der civilistische
(dingliche oder obligatorische) Anspruch auf Wiederherstellung in Natur, oder, wo
dies unmöglich, in Geld (s. auch §§ 823, 249 flg. D. B.G.B.). Freilich läuft
weder die Grenze zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten, noch die zwischen
privatem und öffentlichem Rechte so, wie die zwischen absoluten und „relativen"
Rechten; die beiden zuerst genannten Grenzen sind geschichtlich geworden, die Rechts-
bildung hat den Bedürfnissen des Lebens, sobald sie dringend wurden, mit den
Mitteln des laufenden Zeitalters, d. i. mit dem denkbar geringsten Aufwande
von Mühe abgeholfen. Das Gesetz, daß eine Bewegung die Richtung des
geringsten Widerstands annimmt, gilt auch im Rechtsleben.
Aber kehren wir zurück zum „dinglichen Anspruch auf Unterlassen"; es gilt,
ihn noch gegen einige verwandte Formen abzugrenzen, gegen den obligatorischen
Anspruch auf Unterlassen und den Anspruch auf Thun.
Als Beispiel eines obligatorischen Anspruchs auf Unterlassen möge dienen:
Ein Miether hat mit seinem Nebenmiether einen Vertrag geschlossen, wonach dieser
verpflichtet sein soll, zu gewissen Stunden nicht Klavier zu spielen. Es wird
hierbei davon ausgegangen, daß nach dem D. B.G.B. auch Leistungen ohne Ver-
mögenswerth rechtswirksam versprochen werden können. Mit dem erwähnten
Vertrage sichert sich der Miether einen Schutz, dessen er nach seinen besonder»
Archiv für Bürgerl. Recht u. Prozeß. X. 44