Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

du Chesne, Der dingliche Anspruch nach dem D. B.G.B. 685
dinglichen Anspruch auf Unterlassen nicht nur der negatorische Anspruch gemeint
ist, vielmehr ein dinglicher Anspruch auf Unterlassen schon vor der Störung an-
erkannt wird, ergiebt 8 198 Satz 2 D. B.G.B.: „Geht der Anspruch auf ein
Unterlassen, so beginnt die Verjährung mit der Zuwiderhandlung." Damit ist
ausgesprochen: Ein (dinglicher) Anspruch ausUnterlassen besteht schon von der Zuwider-
handlung, nur die Verjährung dieses Anspruchs beginnt erst mit dieser. Hieraus
ergiebt sich, daß das B.G.B. für alle Rechtsverhältnisse, dingliche wie obligato-
rische, einen im Wesentlichen gleichartigen Anspruch, nämlich das Recht, ein Thun
oder Unterlassen zu verlangen, annimmt. Besonders klar und scharf spricht diese
Auffassung Cosack, Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts § 74 aus. Er
erläutert unter IV 2: „Anspruch ist das Recht in seiner Beziehung auf eine
bestimmte Person, die dem Recht als Verpflichteter gegenübersteht.
a) Daraus folgt, daß jedes absolute Recht eine ungezählte Menge von An-
sprüchen darstellt, denn cs geht gegen jedermann, enthält also Ansprüche gegen
jedermann."
In dem hinzugefügten Beispiele zieht er daraus mit Beziehung auf ein
Recht, über ein fremdes Grundstück zu gehen, die Folgerung: „Das Wegerechl
insgesammt ist also mit keinem einzelnen dieser Ansprüche identisch, sondern ist
gleich der Summe aller dieser Ansprüche." Nach dieser Auffassung ist also ein
absolutes, z. B. ein dingliches Recht nur die Summe ungezählter dinglicher An-
sprüche. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen und den obligatorischen An-
sprüchen tritt nicht hervor, sie scheinen im Allgemeinen gleichartig zu sein.
Gegenüber dieser Auffassung erscheint es nicht ohne Interesse, die wirkliche
Natur des dinglichen Anspruchs einmal näher zu untersuchen, ihn gegen andere
Ansprüche abzugrenzen und ihn in seine Elemente zu zerlegen. Dabei müssen
aber theilweise wenig betretene Pfade begangen werden; es mag daher von vorn-
herein darauf hingewiesen werden, daß es sich hier nur um einen Versuch in dieser
Richtung handeln kann. Wir wenden uns zuerst zum dinglichen Anspruch auf
Unterlassen; als Beispiel diene die früheste und einfachste Form des dinglichen
Rechtes, das Eigenthum.
Auf Entwickelungsstufen des Menschen, die eine gesellschaftliche Organisation
noch nicht kennen, ist es dem Menschen bereits möglich, eine Sache in seine
physische Gewalt zu bringen. Indem er die Sache, z. B. die Frucht, die ihm
zur Nahrung dienen soll, mit der Hand erfaßt, umfaßt er sie zugleich mit seinem
Willen, der dahin geht, sie für sich zu benützen. Die Ergreifung der Sache ist
vorläufig nichts weiter, als ein Durchgangspunkt zur Benützung. Immerhin
liegt schon jetzt ein thatsächlicher Zustand vor, wie er dem Eigenthume entspricht.^
Geräth nun ein Mensch auf dieser Stufe mit einem anderen Menschen in Be-
rührung, der nicht seiner Familie, der ursprünglichsten Rechtsgcmeinschaft, angehört
(hospes), so wird es leicht geschehen, daß der Andere dieselbe Sache, die er für
sich benützen will, für sich zu gebrauchen beabsichtigt. Damit aber wird der

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