Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

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Dr. Wulfert, Aus dem Fl-.milienrecht.

Weise beschränkt, die Ehefrau ist voll geschäfts- und damit auch prozeßfähig (was
übrigens in der C.P.O. noch besonders ausgesprochen wird). Indessen ist hier-
zu beachten, daß trotzdem nicht alle Ehefrauen prozeßfähig sein werden, denn eine
minderjährige Frau z. B. wird durch die Eheschließung nicht ohne Weiteres geschäfts-
fähig — Heirath macht nicht mündig — es wird nur die dem Inhaber der elterlichen
Gewalt zustehende Sorge für ihre Person auf die Vertretung in den die Person
betreffenden Angelegenheiten beschränkt, daher ist z. B. zur Volljährigkeits-
erklärung der verheiratheten minderjährigen Tochter die Genehmigung des Gewalt-
habers erforderlich, es sei denn, daß diesem weder die Sorge für die Person noch
die Sorge für das Vermögen des Kindes zusteht. Die tatsächliche Sorge für
die Person der minderjährigen Ehefrau geht aber mit der Eheschließung auf den
Mann über, auch endigt, wie des Zusammenhanges halber gleich hier bemerkt
werden mag, die elterliche Nutznießung am Vermögen der Tochter, es sei denn
daß die Ehe von ihr ohne die erforderliche elterliche Einwilligung geschlossen wird
§ 1661. Die dem Gewalthaber zustehende Sorge für das Vermögen einer-
minderjährigen Tochter bleibt trotz deren Verheirathung bestehen, soweit sie nicht
mit den dem Ehemann auf Grund des gesetzlichen oder vertragsmäßigen Güter-
standes zukommenden Rechten unvereinbar sind: die Befugnisse des Gewalthabers
reichen nicht weiter, als die der Ehefrau selbst reichen würden, wenn sie volljährig wäre.
Hinsichtlich der Prozeßfähigkeit der Ehefrau darf jedoch schon jetzt auf
die Bestimmung des § 1400 hingewiesen werden, wonach das Urtheil in einem
Rechtsstreit, den die in Verwaltungsgemeinschaft mit dem Manne lebende Frau ohne
dessen Zustimmung führt, letzterem gegenüber in Ansehung des eingebrachten Guts
(abgesehen von den Prozeßkosten, § 1412 Abs. 2) unwirksam ist, aud) kann die
Frau ein zum eingebrachten Gute gehörendes Recht nur mit Zustimmung des
Mannes im Wege der Klage geltend machen.
Die Beschränkungen der Jnterzessionen der Frauen, die bei uns noch
bestehen, aber schon durch das alte die Gewerbeordnung und das Gesetz
über die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften wesentlich eingeengt waren,
sind für Frauen, die nach dem 1. Januar 1900 eine Ehe schließen im vollen
Umfange beseitigt. Das Gleiche wird aber bei uns in Sachsen für solche Ehe-
frauen anzunehmen sein, die vor dem 1. Januar 1900 sich verheirathet haben,
und bis dahin den Vorschriften des S. G.B.'s unterworfen gewesen sind. Die
Entscheidung der Frage hängt davon ab, ob man die Bestimmungen der §8 1650 flg.
unseres Gesetzbuches als bloße Formvorschriften betrachtet — dann würden sie
durch das D. G.B. unzweifelhaft auch für bereits bestehende Ehen beseitigt sein
— oder, wie dies die sächsische Praxis in konstanter Rechtssprechung gethan hat,
als Beschränkungen der Handlungs- oder wie man jetzt sagen muß der Geschäfts-
fähigkeit der Frau. Ist letzteres der Fall, und ich glaube, man wird bei uns
bei der bisherigen für das S. G.B. gewiß richtigen Auffassung bleiben, so schlägt
Art. 200 Abs. 3 des Einf.G. ein, wonach, soweit die Ehefrau nach den für den

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