Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

4.1.7. Nichtvereidung eines Zeugen.

Nichtvereidung eines Zeugen.

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machten Gründe findet indessen der erkennende Senat, daß diese rechtliche Auf-
fassung nicht aufrecht zu erhalten ist. Entscheidend ist hierfür, daß nach dem
gewöhnlichen Sprachgebrauch unter dem Ausdruck „Prozeßgericht erster Instanz"
das Gericht im Ganzen verstanden wird, vor welchem der Hauptprozeß ver-
handelt wurde, ohne daß dabei an die einzelnen Abteilungen oder Kammern
gedacht ist, vor welchen der Hauptprozeß entschieden wurde. Dieser Auslegung
steht der sonstige Sprachgebrauch der Civilprozeßordnung nicht entgegen; die
Fassung des § 704 Absatz III unterstützt dieselbe vielmehr, da hier die Klagen
auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel für den Vollstreckungsbefehl, sowie für
Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend
gemacht werden, das Amtsgericht für zuständig erklärt wird, welches den Voll-
streckungsbefehl erlassen hat, und, wenn der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte
gehört, das zuständige Landgericht als das anzugehende Gericht bezeichnet wird.
Die entgegengesetzte Ansicht führt zu unannehmbaren Folgerungen und praktischen
Schwierigkeiten, welche insbesondere entstehen, wenn eine Ferienkammer oder eine
nicht mehr bestehende Gerichtsabtheilung im Hauptprozesse entschieden hat; sie
würde aber auch der Einrede der Unzuständigkeit eine Ausdehnung geben, welche
ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung nicht als vom Gesetzgeber gewollt an-
gesehen werden kann. Auch sonst gilt die Regel, daß durch die Anordnung, wie
bei einem Gerichte die Geschäfte vertheilt sind, nicht über eine Frage der Gerichts-
zuständigkeit entschieden werden kann. Dabei kann auch durch die Geschäfts-
vertheilung Vorsorge getroffen werden, daß wo es angeht, Klagen dieser Art
vor derselben Gerichtsabtheilung verhandelt werden, welche im Hauptprozesse das
Urtheil erließ.

Nichtvereidung eines Zeugen.
Urth. vom 30. Sept. 1889. I. 219/99.
Die Revision rügt, daß der Zeuge L. in der Berufungsinstanz zufolge Ge-
richtsbeschlusses nur uneidlich vernommen ist, obwohl ein gesetzlicher Grund, von
seiner Beeidigung abzusehen, nicht Vorgelegen habe. Im angefochtenen Urtheil ist
die Abstandnahme von der Beeidigung darauf gegründet, daß der Zeuge in seinen
Angaben augenscheinlich unsicher und ungenau sei, daß er nach Inhalt des Ver-
trages vom .... dem Kläger für den Ausfall des Prozesses einzustehen habe
und daher am Ausgange des Prozesses interessirt sei, daß hiernach sowie mit
Rücksicht auf die sonstige, im Berufungsurtheil näher gewürdigte Sachlage die
Aussage des Zeugen insoweit sie mit den Bekundungen der Zeugen M. und G.
im Widerspruch stehn, nicht glaubwürdig erscheine, und das Gericht ihr auch im
Falle eidlicher Bekräftigung keinen Glauben beimessen würde. Eine Verletzung
des 8 358 Nr. 4 der C.P.O., wie sie von der Revision dem Berufungsgericht
vorgeworfen wird, enthält diese Ausführung nicht; sie beruht vielmehr auf einer
dem 8 259 der C.P.O. entsprechenden Beurtheilung des Ergebnisses der Ver-

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