Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

17.2.8. Recht der vom Manne getrennt lebenden Frau, mit ihren Kindern zu verkehren. (§§ 1636, 1634, 1635 des B.G.B.'s.)

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Verkehr der vom Manne getrennt lebenden Frau mit ihren Kindern.
Recht -er von» Alaune getrennt leben-en Frau, mit ihren
Rindern zu verkehren. (§§ 1(636, 1(63% 1(635 des B.G.B.'s.)
Beschluß des L.G. Leipzig, VI. Civ:Kammer vom 10. Mai 1900. B. P. VI. 17/00.
In einem vor dem Königl. Landgericht Leipzig anhängig gewesenen Rechts-
streite wurde der jetzt in Leipzig wohnhafte M. auf Antrag seiner von ihm ge-
trennt lebenden Frau verurtheilt, das eheliche Leben mit dieser wiederherzustellen.
Seine Klage auf Trennung der Ehe vom Bande wegen Geisteskrankheit der Frau
wurde durch — später in Rechtskraft übergegangenes — Urtheil abgewiesen. Das
Getrenntleben der Eheleute dauert fort. Durch Beschluß des Amtsgerichts Leipzig
als Vormundschaftsgericht wurde dem Manne M. auf Antrag seiner Frau auf-
gegeben» bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 10 Jf für jeden Zuwider-
handlungsfall seine aus der Ehe mit der Antragstellerin hervorgegangenen 6 Kinder
(im Alter von 2‘/s>—137a Jahren) jeden Sonntag in der Zeit von 1 bis 7 Uhr
Nachmittags der Antragstellerin zum freien Verkehr zu überlassen.
Hiergegen hat der Mann M. Beschwerde eingelegt; sie ist nach 88 19, 20
des F.G.'s zwar zulässig, aber nur zum Theil beachtlich.
8 1636 des anzuwendenden D. B.G.B. (Art. 203 des E.G.'s) steht der
M. nicht ohne Weiteres zur Seite, weil er nur von den Rechten geschiedener Ehe-
leute spricht. Da aber hiernach die Befugniß beider Ehegatten, mit ihren gemein-
schaftlichen Kindern zu verkehren, als selbstverständlich vorausgesetzt wird (vergl.
. auch Motive zum ersten Entwurf des B.G.B.'s Bd. IV, S. 628) und überdies
nach 8 1634 des B.G.B.'s die Mutter neben dem Vater das Recht hat,
während der Dauer der Ehe für das Kind zu sorgen, so darf angenommen
werden, nicht nur, daß auch ein Verkehrsrecht der Mutter besteht, sondern auch,
daß solches in Folge thatsächlicher Trennung der Eheleute allein nicht erlischt.
Diese Annahme ist um so unabweisbarer, als nach dem angezogenen 8 1636 in Verb,
mit 8 1635 des B.G.B.'s sogar ein geschiedener, für schuldig erklärter Gatte
die Befugniß, mit dem Kinde persönlich zu verkehren, behält. Anders liegt die
Sache freilich dann, wenn eine Ehefrau durch ihre unbegründete Weigerung, zum
Ehemanne zurückzukehren, sich selbst die Möglichkeit des Verkehrs mit ihren Kindern ver-
scherzte, oder wenn durch den erstrebten Verkehr wesentlich in das in erster Linie zu be-
rücksichtigende Erziehungsrecht des Vaters (8 1627 in Verb, mit 8 1634 des
B.G.B.'S) eingegriffen oder das geistige oder leibliche Wohl des Kindes ge-
fährdet würde. (8 1666 des B.G.B.'S.) Dies trifft jedoch im gegebenen Falle
nicht zu.
Dies wird näher ausgeführt und zugleich hervorgehoben, daß der geistige
Zustand der M. zu Bedenken nicht mehr Veranlassung bietet.
In theilweiser Beachtung der Beschwerde wurde der amtsgerichtliche Beschluß
dahin abgeändert, daß dem Ehemanne M. aufgegeben wurde, bei Vermeidung
einer Ordnungsstrafe von 10 Jb für jeden Zuwiderhandlungssall zu gestatten,
Archiv für Bürgerl. Recht u. Prozeß. X. 25

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