und deren Entgegennahme?
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Prozeßvollmacht sich erstrecke, so kann auch das nicht als richtig zugegeben werden.
Rechtsstreit im Sinne des § 81 C.P.O. ist jeder auf Grund des Klaganspruchs
entstehende Streit, nicht blos der anhängige Prozeß, sondern allgemein das streitige
Rechtsverhältniß, auch der Streit über Gegenforderungen, Gaupp-Stein, Bd. 1
S. 213 (3. Ausl.), Wolf im Archiv für die civil. Praxis, Bd. 88 S. 184,
Jur. Woch. 1894 S. 194 Nr. 4. Der Satz aber, das Gesetz unterstelle die
Ausrechnungserklärung bewußt den civilrechtlichen Normen, beweist — abgesehen von
dem beweislos hingestellten Worte „bewußt" — nichts. Alle Rechtsgeschäfte, die
als Prozeßhandlungen in Betracht kommen, unterstehen den materiellrechtlichen
Bestimmungen, soweit das Prozeßrecht nicht etwas Besonderes bestimmt. Auch
Gestän dniß, Mahnung, Kündigung, Verzicht, Anerkenntniß sind im Civilrecht ge- *
regelt, trotzdem Prozeßhandlungen und insoweit den besonderen prozeßrechtlichen
Vorschriften unterworfen. Gruchots Beitr., Bd. 41 S..701, Bd. 42 S. 918,
919, Jur. Woch. 1898, S. 282 Nr. 19, Bolze, Bd. 8 S. 353 Nr. 837,
Bd. 16 S. 199 Nr. 620, Sächs. Archiv 1999 S. 568, 573, 574, Entsch. des
R.G. Bd. 37 S. 416.
Wenn Petersen noch anführt, die Verfügung über die Gegenforderung und
die. Entscheidung darüber, mit welcher von mehreren Forderungen aufgerechnet
werden solle, stehe an sich nur der Partei zu, die auch unter Umständen dadurch
geschädigt werden könne, daß die Aufrechnungserklärung als einfache Prozeßhand-
lung angesehen werde, die sie den Prozeßbevollmächtigten nach § 83 .C.P.O.
nicht mit Wirksamkeit gegenüber dem Gegner verbieten könne, so sind das im
wesentlichen nur Zweckmäßigkeitsgründe, deren Hinfälligkeit sich aus der Thatsache
ergiebt, daß im Gebiet des gemeinen und sächsischen Rechts, sowie des Allgemeinen
Landrechts trotz der Jahrzehnte langen Uebung des von Petersen bekämpften Zu-
standes Klagen niemals laut geworden sind.
Wie ersichtlich gemacht, stattet die Rechtsprechung des Reichsgerichts die
Prozeßvollmacht mit einem weitgehenden Inhalt aus, sodaß in ihr die Befugniß
liegt, der Vorbereitung des Rechtsstreits dienende außergerichtliche Handlungen
dem Prozeßgegner gegenüber vorzunehmen. Hiernach könnte der Prozeßbevoll-
mächtigte die Aufrechnungserklärung auch außerhalb des Prozesses abgeben und in
Empfang nehmen. Geschieht dies, so wird die Rechlsbeständigkeit, abgesehen von
der Frage der Ermächtigung, ausschließlich nach den für außergerichtliche, rechts-
. geschäftliche Handlungen gegebenen Vorschriften zu beurtheilen sein. Deshalb ist
die vor Anstrengung des Rechtsstreits von dem Prozeßbevollmächtigten erklärte
Aufrechnung nach § 174 B.G.B. regelmäßig unwirksam, wenn die Prozeßvoll-
macht (die Urkunde) nicht rechtzeitig vorgelegt und die Erklärung aus diesem
Grunde unverzüglich zurückgewiesen wird. Das Gleiche hat zu gelten, wenn der
Prozeßbevollmächtigte im Laufe des Rechtsstreites außerhalb seiner eigentlichen
Prozeßthätigkeit die Erklärung abgiebt z. B. im Anwaltsprozeß in einem an den
Prozeßgegncr selbst, statt an dessen Bevollmächtigten zugestelltcn Schriftsatz. Wo
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