Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

7.1.9. Wichtiger Grund für Abgabe einer Vormundschaft an ein anderes Gericht. Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. § 46.

Abgabe einer Vormundschaft an ein anderes Gericht. 175
der Brief seinem Wortlaute nach nur, was der Beklagte thun werde, er ist also
an sich und zunächst lediglich eine Mittheilung über eine Absicht des Beklagten
bezüglich seines künftigen Verhaltens. Aus einer solchen Mittheilung ist für sich
allein der Wille des Mittheilendcn, sich dahin binden zu wollen, das er daß von
ihm beabsichtigte auch ausführen werde, nicht zu entnehmen; besondere Umstände
aber, welche im gegebenen Falle einen solchen Willen erkennen ließen, sind von der
Vorinstanz nicht gellend gemacht worden, ihre Argumentation geht vielmehr nur
dahin, weil der Brief bezweckt thabe, dem Kläger Kenntniß von dem zu geben,
was der Beklagte zu thun sich entschlossen habe, enthalte er eine bindende Willens-
erklärung. Das ist keine aus der konkreten Sachlage entnommene thatsächlichc
Würdigung, es wird vielmehr ohne irgend welchen aus dieser Sachlage sich er-
gebenden besonderen Anhalt aus dem Umstande, daß der Beklagte seine Absichten
dem Kläger kundgegeben hat, gefolgert, daß er dies in bindender Absicht gethan
habe. Das ist eine der inneren Berechtigung entbehrende Schlußfolgerung, bei
welcher thalsächlich die Mittheilung, daß ein prozessuales Recht nicht werde aus-
geübt werden, schlechthin mit dem Verzichte auf dieses Recht identifizirt wird. Das
Berufungsgericht war auch gar nicht in der Lage, seine Auslegung des Briefes
auf besondere der konkreten Sachlage entnommene Erwägungen zu stützen, weil
Umstände, die insoweit in Betracht kommen könnten, von keiner Seite angeführt
worden oder sonst zu Tage getreten sind.
Der Revisionsbeklagte hat die Meinung vertreten, daß die Auslegung des
Briefes durch die Vorinstanz als eine thatsächlichc Feststellung der Nachprüfung
des Reichsgerichts nicht unterliege, also, auch wenn an sich zu Bedenken Anlaß
vorläge, das angefochtene Urtheil nicht aufgehoben werden könne. Das ist nicht
zutreffend. Ein einseitiger Verzicht im Sinne von § 475/514 der C.P.O. ist
ein prozessualer Akt, die Erklärung, durch welche er erfolgt sein soll, unterliegt
deshalb als eine prozessuale der freien Nachprüfung des Revisionsgerichts. Der
Umstand, daß sie in einem Briefe abgegeben worden ist, kann hieran nichts
ändern. Nimmt man an, daß der in 8 475/514 behandelte Verzicht — abge-
sehen von der Erklärung vor Gericht — außer durch Zustellung eines Schrift-
satzes auch durch in anderer Form dem Prozcßgegner mitgetheilte Erklärung er-
folgen könne, die Form also bezüglich der Wirksamkeit der Erklärung keinen
Unterschied begründe, so kann auf diese Form auch bezüglich der Frage, inwieweit
das Revisionsgericht bezüglich der Auslegung der Erklärung an die Auffassung
des Berufungsgerichts gebunden sei, nichts ankommen.
wichtiger Grund für Abgabe einer Vormundschaft an ein
anderes Gericht. Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit. § 46.
R.G. IV. Civ.Sen. Beschluß vom 1. Februar 1900.
Der Realschüler L., der ein nicht unerhebliches Vermögen besitzt, wurde

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