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Verzicht auf Berufung.
schuldeten Leistung anschließe. Der Verzicht sei auch nicht unter einer Einschränkung
oder Bedingung erklärt, insbesondere ergebe sich aus dem Schlußsätze des Briefes
und überhaupt aus dessen Gesammtinhalte nicht, daß der Beklagte gemeint habe,
der.Kläger werde sich mit einem kleinen Theile des zugesprochencn Mobiliars zu-
frieden geben, und daß nur, wenn dies der Fall sei, die Einlegung der Berufung
unterbleiben solle.
Das Urtheil wurde aufgehoben:
„Unrichtig zwar ist es, wenn die Revision meint, auf die Bestimmung in
Z 475/514 der C.P.O. könne die Berwerfung der Berufung schon deshalb nicht
gestützt werden, weil dort ein ausdrücklicher Verzicht erfordert werde, ein solcher
aber nur angenommen werden könne, wenn der Wille, auf die Einlegung eines
Rechtsmittels zu verzichten, völlig klar und unzweideutig ausgesprochen sei, nicht
aber, wenn zu der Annahme eines Verzichts erst im Wege einer die besonderen
Verhältnisse des Falles berücksichtigenden Auslegung gelangt werden könne; für die Be-
antwortung der Frage, ob einer Willenserklärung der Charakter einer ausdrück-
lichen, im Gegensätze zu einer durch konkludente Handlungen kundgegebenen zu-
kommt oder nicht, ist es keineswegs entscheidend, ob ihr Wortlaut unzweideutig
ist oder nicht. Jndcß ist der Angriff, daß der Brief des Beklagten vom 22. Juni
1899 keinen Verzicht ans die Einlegung der Berufung gegen das Urtheil vom
16. Mai 1899 enthalte, aus anderem Grunde berechtigt.
Der Brief kommt nur als eine einseitige Erklärung des Beklagten im Sinne
von § 475/514 der C.P.O. in Betracht, eine vertragsmäßige Einigung der
Parteien — vergleiche den letzten Absatz der Motive zu §§ 452—454 des Ent-
wurfs einer C.P.O. — hat, wie unstreitig ist, nicht stattgefunden. Die Auf-
rechterhaltung des angefochtenen Urtheils würde deshalb ohne Weiteres ausgeschlossen
sein, wenn der von verschiedenen Rechtslehrcrn vertretenen Ansicht — (vergleiche
Planck, Lehrbuch des Prozeßrechts Bd. I § 60 unter 1, S. 312 und die Be-
merkungen zu 8 475/514 der C.P.O. in den Kommentaren von Gaupp und
Reincke — je III. Auflage — siehe auch Petersen-Anger, I V. Auflage) bcizupflichten
wäre, nach welcher ein Verzicht im Sinne der angezogenen Gesetzesvorschrift rechts-
wirksam nur durch Erklärung gegenüber dem Gericht oder durch Zustellung
eines Schriftsatzes an den Gegner soll erfolgen können.
Zu dem gleichen Ergebnisse würde aber auch zu gelangen sein, wenn man
der von der Berufungsinstanz vertretenen gegentheiligen Meinung — siehe die
Kommentare von Seuffert, Struckmann und Koch, von Wilmowski und Levy, je
VII. Auflage, auch Seufferts Archiv Bd. 37 Nr. 161 — den Vorzug zu geben,
also anzunehmen hätte, daß die Vcrzichtserklärung gegenüber den Prozeßgegnern,
um wirksam zu sein, diesen nicht nothwendig durch einen zugestellten Schriftsatz
mitgetheilt werden müsse. Denn in dem Briefe ist der Ausdruck des Willens
des Beklagte», dem Rechte auf Anfechtung des Urtheils vom 16. Mai 1899 zu
entsagen, überhaupt nicht zu befinden. Wie die Vorinstanz nicht verkennt, meldet