Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

7. Gerichtliche Entscheidungen

7.1. Aus dem Reichsgerichte.

7.1.1. Zum Begriffe der Handlungsunfähigkeit. Wahnideen; krankhafte Willensschwäche.

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Handlungsunfähigkeit.

weshalb die citirte, in einer preußischen Sache ergangene Reichsgerichtsentscheidung
diesen Gesichtspunkt überhaupt nicht berührt, zumal da das preußische Recht in
dieser Frage mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche durchaus übereinstimmt. Nur
wenn die cedirte Forderung zugleich die „zuerst eingeforderte" (§ 155 A.L.R.-
I 16) war, konnte der Beklagte volle Anrechnung auf die Klagfordernng be-
anspruchen, anderenfalls durfte nur gemäß § 159 eine verhältnißmäßige An-
rechnung Platz greifen?')
Nach hem Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird übrigens trotz des
Widerspruchs des Klägers die Anrechnung auf die Klagforderung erfolgen, da die
eingeklagte Forderung gegenüber der nicht eingeklagten als die für den Schuldner
lästigere angesehen werden muß. Planck sagt — und zwar sicherlich mit Recht
— daß eine Schuld, für welche ein vollstreckbarer Titel besteht, lästiger ist als
eine Schuld, für welche ein solcher Titel nicht besteht.") Giebt man diesen Satz
zu, so wird man auch einräumen müssen, daß bereits mit der doch auf Er-
langung eines vollstreckbaren Titels gerichteten Einklagung die größere Lästigkeit
verknüpft ist. Oder soll der Schuldner etwa sich verurtheilen lassen und die
Prozeßkosten tragen müssen/") um alsdann nach erfolgter Aufrechnung gegen den
im Urtheile festgestellten Anspruch Gefahr zu laufen, daß der Richter in der
Frage über die Zulässigkeit der Bollstreckungsgegenklage (§ 767 C.P.O.) sich der
Otto'schen und nicht der Planck'schen Ansicht anschließt?°°)

Gerichtliche Entscheidungen.
I. Aus dem Reichsgerichte.
Juin Begriffe der Handlungsunfähigkeit. Wahnideen; krank-
hafte Willensschwäche.
Urth. v. 7. Oktober 1899. I, 228. 99.
Das Berufungsgericht geht rechtSirrthümlich von einem zu engen Begriff
der die Handlungsfähigkeit ausschließenden Geisteskrankheit aus. Nach der Ansicht
deS Berufungsgerichts hätte der Vormund den Beweis führen müssen, daß die
Entmündigte im April 1892 in Folge von Geisteskrankheit nicht geschäftsfähig
d. h. außer Stande gewesen sei, die Bedeutung der Verpflichtung, die sie
") S. a Secius I. 8 94 Note 74.
48) Kommentar IL Erl. 3 zu § 366.
49) Petersen-Anger 1. S. 343, anders freilich Förtsch bei Gruchot 42,
S. 229 u. A.
bv) Planck II. Erl. 3 zu 8 389 (S. 173), dagegen Otto im Sächsischen Archiv 1898
S. 729.

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