Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 12 (1848))

Zwangsabtretung. ' 183
geleistet werden soll, so läßt sich doch nicht läugnen, daß ihm beim
besten Willen das verlorne Object oft nur theilweise ersetzt werden
kann. Jemand kann sich an einen Gegenstand seines Besitzes so
sehr gewöhnt, ich möchte sagen, denselben so lieb gewonnen haben,
daß ihm die Trennung von demselben recht schmerzlich wird. Der
Müller von Sans-Souci z. B. wollte das Erbe seines Vaters selbst
gegen übervolle Entschädigung nicht an den König abtreten. Meh-
rere Verfassungen sprechen daher auch von der Erpropriationepflicht,
wie von einem Opfer, welches der Einzelne dem Staate in gewis-
sen Fällen zu bringen schuldig fei5 6).
Es muß daher jedem Erpropriationspflichtigen sehr daran lie-
gen, daß die Abtretung nur in Fällen stattfinde, wo das öffentliche
Interesse es wirklich erheischt. Der Private muß dem Staate ge-
genüber eine gewisse Garantie haben, daß er nicht von oben herab,
unter dem Scheine der Beförderung des Staatswohls in seinem
rechtmäßigen Besitzthum gestört und belästigt werde. Daher ist bei
der Erpropriationsgesetzgebung vor Allem nothwendig, daß die
Fälle genau und sicher bestimmt werden, in welchen der Einzelne
zur Abtretung seiner Privatrechte verpflichtet ist. Eine solche genaue
und scharfe Bestimmung der Erpropriationsgründe ist aber auch für
die Behörden von Wichti^eit. Jede Staatsbehörde muß wissen,
wie weit sie in ihrem Geschäftökreis gehen darf oder gehen muß,
wenn sie ihrer Aufgabe genügen soll.
Die Gesetze verfahren in der Bestimmung der Erpropriations-
gründe verschieden:
I. Einige Gesetze führen die verschiedenen Erpropriationsgründe
alle speciell auf und beschränken das Recht zur Erpropriation aus-
schließlich auf diese und auf die eigentlichen Nothfälle, die sich ihrer
Natur nach nicht speciell durch das Gesetz bestimmen lassen^).
II. Andere Gesetze und zwar weitaus die meisten abstrahiren
von der Aufzählung aller einzelnen Erpropriationsgründe, sie wäh-
len dann
s) entweder allgemeine Ausdrücke, um die Erpropriationsgründe
zu bezeichnen, wie z. B.
das französische Gesetz vom 3. Mai 1841 §. 1.
das zürchische Gesetz §. 1. oder
5) St. Gallische Staatsverfassung §. 15. Staatsverfassung des Kantons
Glarus §. 7.
6) Bairisches Gesetz vom 17. Nov. 1837. Art. 1.

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