Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 13 (1903))

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Fuld, Fabrik und Werkstätte.
großen" beseitigt werden, oder eine dem § 2 Abs. 3 des Unsallversicherungs-
gesetzes entsprechende Bestimmung. Dann würde jede Konfektionswerkstätte,
die des kleinen Schneidermeisters ebenso wie diejenige des Großkonfektionärs
den Schutzbestimmungen unterworfen sein. Die wirtschaftlichen Bedenken,
welche die Gesetzgebung von einer solchen Ausdehnung bisher abgehalten
haben, sind bekannt, und werden auch da gewürdigt, wo man anderseits
die Notwendigkeit einer intensiveren Beschützung der im Konsektionsgewerbe
tätigen Arbeiter anerkennt. Aber ohne ein Eingreifen der Gesetzgebung
wird sich eine wesentliche Änderung des bestehenden Rechtszustandes nicht
erreichen lasten, die Rechtsprechung ist dazu ebensowenig im stande, wie die
wistenschaftliche Bearbeitung und es muß daher als Selbsttäuschung be-
zeichnet werden, wenn man der Meinung Ausdruck gegeben hat, daß die
jüngste, oben mitgeteilte Entscheidung des Reichsgerichts in der Elberfelder
Sache bei richtiger Anwendung ein Mittel bieten werde, allen Zweifeln
rasch ein Ende zu machen. Aus den Gründen des Erkenntnisses des
Reichsgerichts geht klar hervor, daß der oberste Gerichtshof selbst weit
davon entfernt ist, seiner Entscheidung eine solche Tragweite beizulegen,
vor allem um deswillen, weil die Gestaltung der konkreten Verhältnisse
des Einzelsalles für die Abgrenzung des Fabrikbetriebs vom Handwerk-
betrieb von ausschlagender Wichtigkeit ist.
Wenn mit Rücksicht auf das bisher Gesagte die Frage schon als eine
recht schwierige und vielfach recht komplizierte zu bezeichnen ist, so erhöht
sich die Schwierigkeit und Komplikation nicht selten dadurch, daß der Be-
triebsinhaber mehrere Betriebe besitzt, die im Verhältnis zueinander eine
gewisse Selbständigkeit ausweisen und nicht alle den gleichen Charakter
erkennen lasten. Man denke an den Fall, daß der Inhaber eines Damen-
konfektionsgeschäfts eine Abteilung seines Betriebs mit der Herstellung von
Damenmänteln im großen beschäftigt, eine zweite mit der Herstellung von
Kinderkleidern ebenfalls im großen, wogegen in einer dritten Damen-
'kostüme aus Bestellung und nach Maß verfertigt werden; zwischen den
drei Abteilungen besteht eine vollständige technische Trennung, so daß ins-
besondere die in der einen tätigen Arbeiterinnen nicht zur Beschäftigung
in der anderen herangezogen werden, auch nicht in Ausnahmesällen. Auch
die Buchführung ist wenigstens teilweise eine getrennte, dagegen ist in der
Person des Betriebsinhabers die Einheit gewahrt. Die beiden ersten Ab-
teilungen unterstehen der Verordnung von 1897, bezüglich der dritten ist
dies nicht der Fall. Es wäre eine falsche, den wirtschaftlichen Verhält-
nissen nicht Rechnung tragende Rechtsanwendung, wollte man die drei Ab-
teilungen ohne Rücksicht auf die zwischen ihnen bestehende Trennung und
Verschiedenheit in der Betriebsweise als ein Ganzes in rechtlicher und
Archiv für Bürgerl. Recht u. Prozeß. XIII. 35

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