Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 13 (1903))

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Fuld, Fabrik und Werkstätte.

den gegenwärtigen Wortlaut hat, ist es vollständig ausgeschlossen, den
darin enthaltenen Schutz auch solchen Arbeitern zukommen zu lassen, welche
in Ateliers beschäftigt sind, die nach Maß und nach vorgängiger Bestellung
des Auftraggebers für dessen persönlichen Bedarf arbeiten. Was nun
die Unterscheidung der als Fabriken zu betrachtenden Konfektionsbetriebe
von den nur als handwerksmäßige zu bezeichnenden anlangt, so ist zu-
zugeben, daß dieselbe eine vielfach sehr schwierige und unsichere ist. Der
Begriff „Fabrik" wird in einer ganzen Reihe von Reichsgesetzen ver-
wertet, es braucht hier nur erinnert zu werden an das Haftpflichtgesetz,
die Unfallversicherungsgesetze, die Gewerbeordnung rc.; eine Erläuterung,
welche ein für allemal den Begriff im Sinne der Reichsgesetzgebung fest-
stellte, ist in keinem derselben enthalten und so kommt es, daß die juristisch
präzise Unterscheidung der Fabrik vom Handwerk der Rechtsprechung über-
aus große Schwierigkeiten macht. Wenn es in einem der jüngsten der
Urteile, die sich hiermit befassen, in der Entscheidung des Oberlandesgerichts
Darmstadt vom 31. Januar 1902 heißt, daß es weder der Wiffenschaft
noch der Rechtsprechung bisher gelungen sei, sichere Unterscheidungsmale
zwischen beiden sestzustellen,' so ist das durchaus richtig. Die Rechtsprechung
des Reichsgerichts hat sich zwar in verschiedenen Entscheidungen damit be-
schäftigt (vergl. Entsch. des R.Ger. in Strs. Bd. 14 S. 423, Bd. 26 S. 161), aber
auch in diesen ist die Qualifikation immer nur mit Rücksicht auf den konkreten
Fall gegeben, die Erkenntnisse des Reichsgerichts geben zwar die Kriterien
an, welche bei der Feststellung des Fabrikbegriffs als maßgebend in Be-
tracht zu ziehen sind, allein eine generelle, ein für allemal ohne Schwierig-
keit und ohne Rücksicht aus die Gestaltung der Umstände des Einzelfalles
anwendbare Formel ist in ihnen nicht enthalten. Es ist wahrscheinlich
nicht möglich eine derarttge Formel aufzustellen und daraus folgt, daß
die Entscheidung stets eine mehr tatsächliche als rechtliche sein muß und
mit einer Fortdauer der Rechtsunsicherheit bis zu einem gewissen Grade
wohl oder übel hierbei zu rechnen ist. Beachtet man nun die Ausführungen,
welche sich in den Urteilen des Reichsgerichts vom 12. März 1891 und
vom 2. November 1893 vorfinden, so ist die Annahme des Fabrikbetriebs
im wesentlichen von folgendem abhängig: die strenge Durchführung der
Arbeitsteilung zwischen technischer und kaufmännischer Arbeit; der Unter-
nehmer beteiligt sich im Fabriksbetrieb an dem technischen Teil wie auch
an dem kaufmännischen nur durch die Oberleitung, er legt nicht selbst
mit Hand an, um die Produkte herzustellen; die technischen Betriebs-
handlungen sind von den kaufmännischen streng geschieden, für die beiden
Arten von Arbeiten ist ein verschiedenes Personal vorhanden, das auch
eine verschiedene Aus- und Berufsbildung gewöhnlich aufweist. Neben
diesen Momenten kommt nach Ansicht des Reichsgerichts in Betracht, daß

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